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PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium

PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium

Titel: PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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Großmutter beschränkt.
    Dann verharrte Etor-tai, wieso, wusste Argha-cha nicht. Der Wind wurde schneidender, begann sie auszukühlen. Würde man sie wieder warten lassen? Sie fröstelte.
    »Schau an«, erklang die Stimme eines Mannes. Sie schien von allen Seiten zugleich zu kommen. Oder erklang sie sogar in ihren Gedanken?
    »Ist das nicht die hoch geschätzte Etor-tai?« fuhr die Stimme fort. Sie war Ehrfurcht gebietend wie die eines Gottes. »Die Vorreiterin des stolzen Clans derer von Mongaal, des Schreckens der verweichlichten Völker von Vaaligo, Spross der mythenumrankten Dreizehn, die sich selbst und die ihren einst aus den Trümmern ihres Raumschiffes zu neuer Größe emporkämpften?«
    Es war eine Frage, die offensichtlich keiner Antwort bedurfte. Die Mongaal schwiegen.
    Dann sagte eine zweite Stimme, die einer Frau, in die Stille hinein: »Ihr dürft aufblicken.«
    Zögernd ging Argha-cha in die Hocke. Jetzt, da der Moment, auf den sie hingefiebert hatte, gekommen war, stieg plötzlich die Furcht auf, enttäuscht zu werden. Wie konnte die Wirklichkeit mit den Bildern in ihrem Herzen Schritt halten?
    Ihre Furcht war unbegründet.
    Zwei oder drei Mannslängen vor den Mongaal erhoben sich die Stufen eines Podests, bedeckt nicht von rauen Matten, sondern feinsten, purpurnen Stoffen. Auf ihm saßen die beiden beeindruckendsten Menschen - wenn es denn gewöhnliche Sterbliche waren -, die das Mädchen je erblickt hatten.
    Der Mann, der auf einem Thron aus Knochen saß, war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sein linker Arm war ein Stumpf, an dessen Ende Fransen hingen. Nicht aus dem Stoff seines Gewandes bestanden sie, sondern aus Fetzen von Fleisch. Etwas Weißes blitzte aus ihnen hervor, bewegte er den Stumpf. Der Knochen?
    Die Beine des Mannes steckten in eng anliegenden, die Oberschenkel bedeckenden Reiterstiefeln. Unter dem Leder, das sich wie eine zweite Haut anschmiegte, zeichneten sich die Konturen der Beine ab. Das rechte war kräftig und muskulös, das eines Kriegers, der sein Sturmtier mit eisernem Griff in die Schlacht führte. Das linke dagegen. es erinnerte Argha-cha an einen Zweig, den man verdreht und anschließend in der Sonne hatte trocknen und ausbleichen lassen.
    Nur das feste Material des Reitstiefels verhinderte, dass das Bein leblos herabhing.
    Argha-chas Blick wanderte wieder nach oben -registrierte ohne Überraschung die Kissen, mit der die linke Seite des Mannes abgestützt war, um ihn vor dem Abrutschen zu bewahren - und gelangte schließlich bei seinem Gesicht an. Eine tiefe Narbe, die von der Seite der Stirn schräg über den Nasenrücken bis zum Kinn verlief, teilte sein Antlitz in zwei Hälften. Die stumpfe Klinge - die Unregelmäßigkeit der Wundränder sprach eine eindeutige Sprache - musste mehrere Nervenstränge durchtrennt haben, die leblose Starre seiner Züge war nicht anders zu erklären.
    Bewunderung erfüllte Argha-cha. Sie hatten einen wahren Krieger vor sich, einen Mann, dem es nicht an Mut gemangelt hatte, sich für die Sache der seinen bis um den Preis der Verstümmelung einzusetzen. Anders als die Mehrzahl ihrer Feinde, die die Krüppel des Krieges voller Scham versteckten, weil sie in ihnen eine Wahrheit erblickten, die sie nicht ertragen konnten, verehrten die Nodronen ihre im Krieg Versehrten, sorgten für sie bis ans Ende ihrer Tage. Narben und Verstümmelungen galten als Ehrenzeichen, welche die Krieger stolz zur Schau stellten.
    Zu den Füßen des Götzen, auf der obersten der Stufen, saß eine Frau. Es fiel Argha-cha schwer zu glauben, dass es sich bei ihr tatsächlich um die Schwester des Verstümmelten handelte. Sie war von feenhafter, zerbrechlicher Schönheit. Ihre bleichen, dünnen Arme wirkten zu schwach, um selbst eine winzige Waffe zu halten. Ihr schlanker Körper war in ein luftiges Gewand gehüllt, das aus Milliarden von Insektenflügeln gewebt schien. Es glitzerte in allen Regenbogenfarben, entrückte seine Trägerin den gewöhnlichen Sterblichen.
    Argha-cha wandte sich dem Gesicht der Götzin zu. Es war ebenmäßig bis zu einem Grad, dass es an eine Maschine erinnerte. Ihre Haut war rein und makellos.
    Die Frau war perfekt.
    Argha-cha stockte der Atem. Die Götzin verkörperte all das, was die Clans der Nodronen vom Anbeginn der Zeit suchten, aber niemals erringen konnten. Die Götzin war das ultimative Produkt der Sesshaftigkeit, eines Lebens ohne Sorgen und Härten, einer Existenz, die unweigerlich in der Verweichlichung und im Untergang enden

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