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PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium

PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium

Titel: PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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weniger beliebten Geschichte-Erzähler des Clans gewesen, seine Erzählungen waren so holprig und langweilig, dass er immer kurz vor dem Rückfall in den Stand eines Hirten gestanden hatte. Aber dann war Turtai-sam plötzlich für einige Wochen verschwunden, und als er zurückgekehrt war, stieg er innerhalb kürzester Zeit zum beliebtesten Geschichte-Erzähler des Clans auf.
    Turtai-sam hatte Marionetten mitgebracht, die lebten. In gewisser Weise.
    Der Geschichte-Erzähler hatte die Frühgeburten von Sturmtieren gesammelt, ihnen robotische Bauteile einverleibt und ihre Nerven mit Mikrovarsoniken verbunden. Nun führten die Föten - Tote, die gestorben waren, noch bevor sie gelebt hatten, und nun wiederauferstanden waren - Schauspiele nach Turtai-sams Willen auf.
    Die Föten schlüpften in Kostüme und spielten die
    Schlachten und Großtaten vergangener Tage nach, zum Vergnügen von Argha-cha und den anderen Kindern, die vor Vergnügen quietschten, wenn die ungeschickten Pummelchen mit ihren Stummelgliedern sich anschickten, weihevoll umherzustolzieren. Selbst die Erwachsenen folgten, wenn auch ohne Heiterkeit, so doch fasziniert dem Schauspiel, das Turtai-sam mit mühelosen Bewegungen aus dem Handgelenk dirigierte.
    Aber schon bald stellte die junge Argha-cha fest, dass sie eher dem Spiel von Turtai-sams Hand als dem seiner Kreaturen folgte. Es war in perfekter Harmonie mit den Bewegungen der Föten. Der Geschichte-Erzähler lenkte sie mit unsichtbaren Fäden.
    Als die erste Faszination verblasst war, meldeten sich die Kritiker zu Wort. Zuerst waren es die Familien, denen die Sturmtiere gehörten, von denen die Föten stammten. Turtai-sam, klagten sie, enthielte ihnen vor, was ihnen gehöre - Sturmtierföten galten als gesuchte Delikatesse -, einige beschuldigten ihn sogar, ihren Tieren giftige Kräuter gefüttert zu haben, um sich neue Föten zu verschaffen. Dann stimmten die GeschichteErzähler in die Klagen ein. Turtai-sam besudele mit seinen Possen die Ehre der Vorfahren, brachten sie vor. Es dauerte nicht lange, und es kamen immer weniger Erwachsene zu seinen Vorstellungen.
    Argha-cha war damals sieben gewesen, aber selbst sie und die anderen Kinder hatten sich gewundert, dass Turtai-sam die Vorzeichen nicht verstand.
    So kam es, wie es kommen musste. Eines Nachts versammelten sich empörte Clansleute und erschlugen Turtai-sam. Sie überbrückten die Steuerung der Föten und befahlen ihnen, ein tiefes Grab auszuheben, in das sie die Leiche des Geschichte-Erzählers warfen. Eine Woche lang ließen sie die Föten Wache stehen, damit niemand versuchte, den letzten Atem Turtai-sams zu schöpfen, dann warfen sie die ausgemergelten Föten auf einen Scheiterhaufen und verbrannten sie zu Asche.
    Etor-tais Stimme holte das Mädchen zurück in die Gegenwart. »Ihr wollt die Mongaal auslöschen?« fragte die Vorreiterin, die Schultern trotzig nach vorne gereckt.
    »Nein«, winkte der Götze ab. »Nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Wir wollen nicht unnötig Märtyrer erschaffen.«
    »Was sind eure Forderungen?«
    »Bedingungslose Unterwerfung. Du, Etor-tai, wirst zu den deinen zurückkehren und dafür sorgen, dass unserem Willen entsprochen wird. Die Mongaal werden mit Ausnahme der Peitschen ihre Waffen übergeben und sich in die Reservation begeben, die meine Gesandten euch zuteilen. Dort werdet ihr bleiben, bis ihr neue Befehle erhaltet.«
    Etor-tai erbebte. Beugten die Mongaal sich dem Willen der Götzen, hatten sie auf immer ihre Ehre verspielt. Kampflos die Waffen abzulegen war undenkbar. Aber verweigerten sie sich. die Raumforts würden sie innerhalb eines Augenblicks punktgenau verbrennen.
    Die Vorreiterin kam zu einem Entschluss. »Eurem Willen wird entsprochen«, sagte sie langsam, als müsse sie jede Silbe mit Gewalt aus sich herauszwingen.
    »Gut so«, sagte der Götze. »Ihr dürft euch entfernen.«
    Argha-cha und Etor-tai gingen auf die Knie und schickten sich an, davonzukriechen.
    Da ertönte die Stimme des Götzen. »Noch etwas. Die Tiere des Clans bleiben selbstverständlich zurück. Unsere Diener werden sie unverzüglich in die Schlachthöfe der Stadt bringen, um der Seuchengefahr vorzubeugen.«
    Die Beleidigung war kalkuliert. Argha-cha spürte, noch während der Götze sie aussprach, dass ihre Großmutter sie nicht hinnehmen konnte.
    »Etor, nein!« rief sie.
    Die Vorreiterin hörte den Schrei des Mädchens nicht mehr. Die alte Frau schnellte hoch, flinker und behänder als ein Sturmtier ein

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