PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
Anblick.
Errek stand steif da, mit durchgedrückten Knien, fast wie ein altterranischer Rocker in seinem schwarzen Leder und den aluminiumgrauen Stiefeln. Die runde Krenja wirkte schüchtern und verlegen. Es war deutlich, dass sie sich immer noch liebten. Aber sie umarmten einander nicht. Krenja sah zu ihm hoch und berührte seine Wange. Errek ergriff ihre Hand, zog sie von seinem Gesicht weg, suchte dann aber auch ihre andere Hand. So standen sie einander gegenüber: an den Händen haltend. Wahrscheinlich versuchten sie zu vermeiden, dass Errek Krenjas Bauch zu spüren bekam, den Bauch, in dem das Kind seines Erzrivalen heran reifte, das Kind des Mannes, den seine Frau geliebt und den er getötet hatte.
Wenn alles Kämpfen der nächsten Wochen einen glücklichen Ausgang nahm, dann stand ihnen ihre schwerste Zeit wohl erst noch bevor.
Wonjok, ihr fünfjähriger Sohn, hielt sich weiter vom väterlichen Djel fern. Er war bei einem befreundeten Adjel untergeschlüpft. Hoffentlich wagte er sich wenigstens wieder zu seiner Mutter, wenn Errek fort war. Wenn sein Vater fort war. Der seinen Ziehvater vor den Augen halb Koortanes getötet hatte. Und vor Wonjoks Augen.
Wie sich der Kleine wohl gerade fühlte? Ich wollte es mir eigentlich gar nicht vorstellen.
Errek schritt den Weg zum Palast hinauf. Seine Frau verschwand hinter der hölzernen Tür ihres Djels.
»Was für eine Misere«, sagte Fran und umarmte mich von hinten.
Ich legte meine Hände auf ihre. »Die triumphale Rückkehr des Helden aus der Gefangenschaft. Im
Märchen läuft die anders ab.«
»Aber wenn sie es schaffen, dann wird ihre Geschichte auch für ein Märchen taugen. - Hey, ist das da vorn nicht Peikade? Dort zwischen den Zelten?«
Es war Peikade. Sie kam auf uns zu und entblößte die spitz zugefeilten Zähne zu einem breiten Lächeln. »Hallo!« Sie winkte auf Bauchhöhe; eine Geste, die sie sich anscheinend von Shimmi abgeguckt hatte. »Teenager aller Welten vereinigt euch. Ist Shim da?«
»Hinten.« Ich zeigte mit dem Daumen zur Tür. »Spielt noch ein bisschen mit den Katzen, bevor es losgeht.«
»Gut. Ich muss sie nämlich was fragen.« Sie linste zu Fran und mir herauf. Es sah hinreißend aus. Die bernsteinfarbenen Augen leuchteten unter dem fransigen Pony hervor, den Shim ihr geschnitten hatte. »Kommt ihr auch mit rein?«
Ich lachte auf. »Keine Sorge. Wir bleiben hier, dann könnt ihr euch ungestört von einander verabschieden.«
»Nein, nein«, sagte Peikade. »Ihr könnt ruhig mit reinkommen! So ist es ja nicht.«
Wie sich herausstellte, verhielt es sich genau anders herum. Sie wollte unseren Beistand.
Shim kauerte hinten beim Feuer auf den Fellen und spielte mit den Katzenjungen. Sie sah selbst aus wie eine halbe Katze, wie sie sich dort in ihrer schwarzen Hose und dem schwarzen Trägerhemd räkelte und die Wärme genoss.
Wir setzten uns ins Rund. »Wo ist Schikago?«, fragte ich.
»Drüben, in ihrem Korb. Ich glaube, sie ist ganz froh, ihn ab und zu wieder für sich allein zu haben.«
Die Augen der Ferrolkatze funkelten orange.
Peikade griff sich einen der kleinen Kater und küsste ihn auf die Stirn. Er angelte mit spitzen Krallen nach ihren Haaren. Sie hob ihn auf einer Hand hoch und schüttelte ihn leicht. Er verbiss sich in die Hand. Peikade lachte. »Hey, langsam merkt man ja richtig was!« Sie schleuderte ihn zwischen ein paar Kissen.
Sie seufzte. »Die Katzen werde ich vermissen. Wir alle werden sie vermissen.«
Shim kehrte uns den Rücken zu und holte den Kater wieder hervor. Ihre Tätowierung auf dem linken Schulterblatt war immer noch nicht ganz abgeheilt. Eine milchige Schicht bedeckte Teile der Szene.
»Kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Katzen und Rebellen, das passt.«
Peikade warf mir einen dankbaren Blick zu. »Ach, daher wehte der Wind.«
Ich beschloss, ihr beizuspringen. Wenn mich ein hübsches Mädchen mit den Wimpern anklimperte, das noch dazu auf furchterregende Weise lächeln konnte, dann wurde ich weich wie Butter. Zumal wenn sich Fran Imith an mich lehnte.
»Sag mal, Shim, was macht eigentlich deine Tätowierung?«, fragte ich.
»Jetzt kann man schon ein bisschen mehr erkennen«, sagte sie. »Guck!«
Es handelte sich um einen Karowu. Ein paar Striche um den Steinhaufen herum deuteten den nackten Fels an. Obenauf lag ein bleicher Zontarschädel gegen einen rindenlosen, verwitterten Ast gelehnt, der in dem Steinhaufen steckte. Dem Schädel fehlte der Unterkiefer. Ein Teil des Hornkragens
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