PR Rotes Imperium 03 - Die Zukunftsbastion
fließen nicht nur Milch und Honig. Hier werden alle Wünsche wahr. Hier sind alle Leiden geheilt.«
»Eine Welt ohne Schmerz. Ohne Sorge. Ohne die Angst vor dem Tod.«
»Ja. So eine Welt kann das Mentale Symposion sein.«
»Gesetzt, das ist die Wahrheit: Ist das Leben hier lebenswert?«, fragte ich. »Verliert es nicht den Geschmack des Lebendigen? Was ist eine Entscheidung wert, die keine ist, weil sie im nächsten oder übernächsten oder überübernächsten Leben korrigiert werden kann? In der nächsten Reinkarnation? Im nächsten von endlos vielen Durchgängen?«
Der Bibliothekar lehnte sich zurück und schaute mich überrascht an. »Und das sagen gerade Sie, mein Junge? Sie, der - nach Menschenleben gerechnet - wie viele Leben gelebt hat? Dem der Schmerz dank Zellaktivator beinahe fremd geworden ist? Der sich entwöhnt hat von der Angst vor dem Tod? Oder missgönnen Sie es den anderen, den Unzähligen, so zu werden wie Sie? Sie an Lebensspanne sogar zu überholen? Wollen Sie der Einmalige bleiben, der Einzige, der Auserwählte von ES?«
»Ich mag einer der Auserwählten von ES sein«, gestand ich ein. »Aber glauben Sie mir, ein großer Spaß ist das nicht.« Ich stand demonstrativ auf. »Wir werden uns nicht einigen, Herr Kasimir. Ich erkenne an, dass sich im und mit dem Mentalen Symposion eine eigenartige Welt entwickelt hat, die ihre eigenen Rechte haben mag. Mir wird diese Sphäre fremd bleiben. Ich kann sie nicht verstehen, aber ich muss auch nicht alles verstehen. Ihre strategische Weitsicht bewundere ich, und ich will nicht ausschließen, dass von einer gewissen Warte aus Sie und das Mentale Symposion tatsächlich ein nächster Schritt sind in der Evolution der Menschen und ihrer Kultur. Ein nächster Schritt, wohl bemerkt, nicht der nächste Schritt. Ich bekenne aber auch, dass Ihre Hybris mich anwidert, Ihr Gerede davon, die Barriere zwischen dem Diesseits und dem Jenseits zu durchbrechen, Gott zu sehen und Gott zu sein.
Aber wir sind nicht hier, um theologische Disputationen zu führen. Ich will zurück in meine Welt. Ich habe dort etwas zu erledigen. Und anders als hier, wo Sie die Zeit in der Hand zu haben glauben, drängt die Zeit in meiner Welt. Ich will zurück. Ich hatte gehofft, hier eine der sagenhaften Interferenz-Inseln zu finden, eine dieser virtuellen Furten, durch die ich zurückwechseln kann. Bitte helfen Sie mir dabei.«
Kasimir stand ebenfalls auf; es war ein mühsamer Akt.
Ich fragte mit einem Blick auf seinen Stock und die Prothesen: »Warum tun Sie sich das an? Ich dachte, ein jeder im Symposion lebt, wie und in welcher Gestalt er mag?«
Kasimir lächelte. Seine Gestalt verwischte. Wie in einer Vision sah ich einen jungen, durchtrainierten Mann vor mir stehen in einem weißen Seglerdress. »Besser so?«, fragte er und schlug mir so krachend auf die Schulter, dass ich in die Knie ging. Dann war er wieder der alte Mann mit dem Stock und ging mir wankend voran.
»Gut. Sie haben Ihre Chance gehabt. Sie wollen zurück in Ihre Welt?«, fragte er. »Sie sollen zurück in Ihre Welt. Dafür sind Sie in die Bibliothek gekommen. Dafür, und um ein wenig Verständnis zu lernen für das Symposion.«
Ich sagte in beinahe entschuldigendem Ton: »Vielleicht ist mir Ihre Welt einfach zu menschlich.«
Er lächelte mir zu. »Käme es denn nicht mehr darauf an, die Welt zu vermenschlichen? Ist Qual denn menschlich oder nicht vielmehr unmenschlich? Hat nicht jede Kultur versucht, den Schmerz zu lindern und den Tod hinauszuschieben, so weit wie eben möglich? Nichts anderes tun wir hier auch. Oder meinen Sie, das Mentale Symposion wäre eine zu exklusive Veranstaltung, eine Gesellschaft nur für Terraner, off limits für andere Sternenvölker?
So ist das nicht. Wir glauben, dass es in den Randzonen des Symposions durchaus Kontaktversuche gibt. Es klopft an - wir wissen nur noch nicht in jedem Fall, wer. Kulturen, die ebenfalls an Sphären arbeiten, die wie unser Symposion sind. Die das Transpathein gefunden oder synthetisch entwickelt haben. Vielleicht versammeln sich im Symposion irgendwann Milliarden von Zivilisationen aus allen möglichen Universen und Chronoversen. Gehen Sie nicht zu streng mit uns ins Gericht, mein Junge. Unsere Schöpfung hat eben erst begonnen.«
»Warum unterstützen Sie mich, Herr Kasimir?«
Er seufzte. »Bavo Velines und seine Regierung spüren, dass das Mentale Symposion ihnen zu entgleiten droht. Dass wir nach Unabhängigkeit streben und dass wir von dieser
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