PR TB 018 Raumkapitän Nelson
aufgelegt waren, registrierte Guy.
“Gewonnen!” belehrte ihn eine helle Stimme.
“Du lügst!” hörte Guy Richard antworten. “Ich
sehe noch einen Stern.”
“Ja, Abukir!”
“Worüber streitet ihr euch?” fragte Guy, in der
Absicht, sich selbst ein wenig abzulenken.
“Wir haben gewettet”, antwortete Franklins Stimme.
“Richard wollte nicht glauben, daß wir keinen anderen
Stern mehr sehen können, wenn wir nahe genug an Abukir sind.”
“Und ich sehe doch noch einen!” behauptete Richard
trotzig.
Guy wandte den Kopfzum Heckschirm. Nach einigen Sekunden
angestrengten Beobachtern mußte er sich eingestehen, daß
es ihm unmöglich war, eindeutig eine der beiden Behauptungen zu
unterstützen. “Nun, habe ich recht, Pa?” fragte
Franklin. “Du siehst auch nichts, nicht wahr?”
Guy lächelte still vor sich hin.
“Fragt George, der hat die besseren Augen.”
Die Kinder bestürmten beide den Roboter. Aber George
versicherte, daß er nicht zuständig für das Amt des
Schiedsrichters sei. Er habe weit bessere Augen als ein Mensch, und
die Wette sei ja schließlich auf der Basis menschlichen Sehens
abgeschlossen worden.
Ein jähes Aufflammen des Schutzschirmes unterbrach den hitzig
werdenden Disput.
“Eine kalte Gaswolke, Sir”, meldete George.
Guy fragte sich, was hier, in unmittelbarer Nähe der Sonne,
überhaupt noch als kalt zu bezeichnen war. Die Temperaturtaster
zeigten neuntausend Grad Celsius außerhalb des Schutzschirmes
an. Innerhalb des Schirmes war die Temperatur bisher
nuraufzweitausend Grad angestiegen, lächerlich wenig für
das Material der Schiffshülle. Aber sie mußten ja noch
anderthalb Millionen Kilometer sonnenwärts rasen, bevor sie den
Transitionspunkt erreichten.
Diese anderthalb Millionen Kilometer würden die Hölle
werden.
Von jetzt an prallten die Schutzschirme der HER BRITANNIC MAJESTY
immer wieder auf unsichtbare Wolken unvorstellbar dünnen Gases.
Was gefährlich werden konnte, war lediglich die Geschwindigkeit
des Schiffes.
Eine Partikeldichte, dünner als das mit einer normalen
Laboratoriumspumpe erzeugte künstliche Vakuum, mußte bei
annähernd Lichtgeschwindigkeit auf das Schiffwie Sand auf ein
Geschoß wirken. Ohne den Eigenantrieb und die Massenanziehung
Abukirs wäre die HER BRITANNIC MAJESTY steckengeblieben, ohne
den Schutzschirm wäre ihre Arkonhaut millimeterweise zerrieben
und verbrannt worden. Wenn nur der Schutzschirm hielt!
Guy schickte einen Stoßseufzer nach oben, wo trotz aller
Relativität für den menschlichen Instinkt der Himmel sein
mußte.
Meter um Meter wurde der in Fahrtrichtung stehende Schirmsektor
gegen das Schiff zurückgedrängt, als die Materiewolken
immer dichter und häufiger wurden.
Sechzehntausend Grad außerhalb des Schirmes.
Und noch Vierhunderttausend Kilometer!
“Geschwindigkeit?” fragte Guy. Er bemühte sich,
ruhig zu bleiben, obwohl nun die Temperaturerhöhung bereits in
derZentrale meßbar wurde. “Vierundneunzig Prozent Licht,
Sir.”
” Das genügt noch …”
Ohrenzerreißendes Kreischen riß alle anderen Geräusche
mit sich fort. Guy spürte schmerzhaft die Anschnallgurte. Er sah
sofort, was geschehen war. Der Schutzschirm hatte die Schiffswandung
berührt und die Gewalt des Sonnensturmes übertragen. Die
Andruck-Absorber hielten, abersie vermochten nicht alle
Verzögerungskräfte zu absorbieren.
Das Geräusch riß so jäh ab, wie es gekommen war.
Guy atmete auf. Es hatte sich also nur um eine Bö gehandelt. Sie
waren noch einmal davongekommen.
“Siebenundneunzig Prozent Licht”, meldete George.
“Energiespeicher der Sprungfeldgeneratoren?” fragte Guy.
“Auf hundert Prozent, Sir.”
Guy nickte. Dann schloß er die Augen, als trotz
heruntergelassener Blenden grelles Licht wie mit Geisterfingern durch
die Panoramaschirme stach. Das konnte nur eine Protuberanz in großer
Nähe gewesen sein.
“Vielleicht sollten wir lieber jetzt springen?” fragte
Mabel.
Guy konnte sie verstehen. Wenn siejetzt in die Transition gingen,
konnten es die Generatoren trotz Unterlichtgeschwindigkeit schaffen,
während die nächste Sonneneruption ihnen schon den Tod
bringen konnte. Er lehnte dennoch ab.
Und das, obwohl er sich über die Begleiterscheinung der nahen
Protuberanz klar war.
Da geschah es auch schon!
Diesmal war der Rückschlag des Schutzschirmes weitaus
stärker. Das Ächzen und Stöhnen der
überbeanspruchten Schiffsverbindungen hörte sich an, als
läge ein lebendes Wesen im Todeskampf.
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