PR TB 042 Das Erbe Der Jahrtausende
eine restlos zerfallene Brustwehr, eine Mauer oder
abbröckelnde Zinnen sein konnten, aber er sah nicht viel.
Irgendwo pfiffen und krächzten unsichtbare Tiere. Wieder kamen
die Echos. Sherpa, hungrig und wütend, hielt an, um sich eine
Zigarre anzuzünden. Er zog den rechten Handschuh wieder an und
rieb die Stelle, an der bis vor vier Stunden der Minikom gesessen
hatte.
Zuerst war es ein schmaler Streifen, der die kommende Helligkeit
ankündigte, dann ein roter Saum. Als die Sonne aufging, war
Sherpa drei Kilometer vom letzten Lager entfernt. Er nahm das Glas in
die Hände und spähte hinein.
Natürlich waren die Verhaltensmuster von Falkayn und
Carmichael fast identisch: auch Falkayn war nachts aufgebrochen und
ritt jetzt der Sonne davon. Sein Tempo bewies, daß er niemanden
hinter sich wußte. Zwei, drei Kilometer schräger Hänge
trennten Verfolger und Verfolgten.
Sherpa ritt weiter. Etwas schneller.
Er spürte das Bemühen seines Tieres; Julian war
großartig. Er kitzelte ihn mit den Sporen, galoppierte einen
geschwungenen Grat hinauf und wieder hinunter und traversierte einen
Geröllhang. Die Hitze nahm zu. Da sowohl Sherpa als auch Falkayn
aufwärts ritten, sahen sie einen unechten Horizont vor sich -
sie mußten stets nach oben blicken. Und so merkten sie nicht,
daß sie dem eigentlichen Gipfel immer näher
kamen.
Und sie wußten nichts von jenen vergessenen Baumeistern.
Eine Stunde verging.
Eine zweite brach an. Sherpa saß ab und schraubte die
Feldflasche auf. Er trank einen tiefen Schluck der Mischung, die er
sich nachts zusammengestellt hatte. Es waren Vitamine, Konzentrate,
Pulverkaffee, vermischt mit einigen Löffeln Traubenzucker und
Kondensmilch. Dann, nach einem zweiten Schluck, nahm er den
Plastikbeutel mit Wasser, schüttete zwei Drittel davon in seinen
Hut und leerte die Feldflasche hinein. Sein Tier trank in langen,
gierigen Zügen. Sherpa wischte mit seinem nassen Taschentuch die
Krempe sauber, ließ den Hut im Nacken hängen und ritt
weiter.
Eine letzte Anstrengung brachte ihn über eine natürliche
Mauer. Dann hielt er verwundert an. Er stand am Rande einer
gewaltigen Plattform besonderer Art. Die Spitze des Berges war hier
abgeschnitten worden. Eine dreieckige Kerbe umlief den Gipfel und
bildete ein Plateau, aus dem ein fünfzig Meter hoher
Zylinderschnitt ragte. Diese Ebene war übersät mit vier
Meter hohen Steinen in den surrealistischsten Formen. Was sie einst
dargestellt hatten, war nicht mehr zu erkennen. Wind, Sand und Regen
hatten die weicheren Gesteinsschichten ausgenagt und abenteuerliche
Figuren geschaffen. Brücken erhoben sich, pilzförmige
Steine und schräge Monolithen, Polyeder und stalagmitenähnliche
Konstruktionen. Kleine Steine sah man nicht zwischen den Figuren,
denn der Wind hatte sie in Jahrtausenden gleichmäßig an
allen Rändern abgelagert. Die Fläche war glattpoliert und
voller wirrer Schattenlinien.
Nur einige Sekunden brauchte Sherpa, um dieses Bild in sich
aufzunehmen.
Dann sah er Falkayn, aber der andere war schneller. Er hatte sich,
kurz vor einem mächtigen Tor stehend, umgedreht und die
Silhouette seines Verfolgers gegen den hellen Himmel gesehen und -
erkannt. Der Einschlag seines Energiestrahls riß unmittelbar
neben den Hufen des Tieres einen Krater in den Fels. Sherpa bändigte
das durchgehende Tier und lenkte es in Deckung. Dann übermannte
ihn die Wut, und er setzte die Sporen ein.
Er galoppierte an, hinter dem breiten Stein hervor und durch eine
Gasse, die sich vor ihm auftat. Bis zum Tor in dem Zylinder waren es
nicht mehr als sechshundert Meter, und die krachenden, glühenden
Einschläge aus der Waffe Falkayns störten Sherpa nicht. Er
dachte nicht einmal an Gefahr. Seine unvernünftige, blinde Wut
jagte ihn vorwärts.
Der darcan wurde nach rechts und nach links gerissen, wich den
Steinen aus und warf sich wieder herum. Sherpa handhabte den Zügel
wie ein Artist, aber er achtete nicht darauf. Vor ihm prasselten die
Platten eines Turmes zusammen, er gab Schenkelhilfen, und das Tier
setzte darüber hinweg. Seine Vorderfüße gerieten ins
Geröll, rutschten aus und knickten ein. Sherpa flog durch die
Luft.
Er rollte sich in der Luft zusammen, landete auf dem Rücken
und ließ sich abrollen. Seine Ellenbogen schmerzten höllisch,
aber er würde es erst in einer halben Stunde merken. Sein Tier
lag auf der Seite, schlug mit den Hinterbeinen aus und schrie
schmerzerfüllt. Sherpa riß seine Waffe hervor, stellte
fest, daß er sich in Deckung
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