PR TB 047 Höllentanz Der Marionetten
Wirbelsäule
ergab, beschäftigte sich der unterzeichnende Mediziner mit dem
Gehirn. Die beiden Repräsentationszentren des Körpers in
der vorderen Zentralwindung und der hinteren Windung wurden
untersucht und zwar mit Hilfe eines Elektronenmikroskops. Hierbei
stellte ich folgendes fest:
Ein Großteil der Verbindungen war unterbrochen. Diese
Unterbrechung bestand aus einer sonst nicht zu beobachtenden Zelle,
die sich besonders deutlich an dem Strang der Nervenfasern
herauspräparieren ließ. Sie hockte förmlich auf dem
Strang des nervus opticus, kontrollierte also gewissermaßen die
Reize, die von der Neuronenschicht des hinteren Auges ausgingen. Eine
zweite dieser Zellen, im ganzen etwas komplizierter ausgebildet,
befand sich zwischen den Bahnen von der Rinde zum
Empfindungszentrum… “
Rogier war tödlich erschrocken. Er lehnte sich zurück,
schloß einen Moment die Augen und atmete tief ein und aus. Dann
blickte er hinüber zu Satya. In ihrem Gesicht zuckte nicht ein
Muskel. Sie blickte mit starren Augen, die seltsam groß hinter
den Gläsern der Hornbrille erschienen, auf die Lampen des
Bandgerätes, saß sehr ruhig mit zusammengepreßtem
Mund da und wartete. Rogier stand auf und tippte leicht mit dem
Finger gegen die Schnellstoptaste. Die Schilderung der Symptome brach
ab.
„Mord“, sagte Rogier kurz; seine Stimme klang wie
splitterndes Glas. „Ein zweiter Mord. Ein Hirn, das von
irgendwelchen seltsamen Parasiten befallen ist. Und niemand bewegte
sich, niemand zog die Schlußfolgerungen außer dem alten
Mann dort, der jetzt ebenfalls tot ist. Was habt ihr hier für
eine Welt, Mädchen?“
Satya sah übernatürlich blaß aus. Sie schwieg noch
immer.
„Angst oder verbrecherische Dummheit, Satya? Was ist das?“
Sie bewegte sich unruhig und nahm dann ihre Brille ab. Sie
blinzelte kurz, dann beugte sie sich vor und nahm aus dem weißen
Kästchen, das in der Mitte des Tisches stand, eine von Rogiers
langen Zigaretten und zündete sie mit dem zerbeulten
Tischfeuerzeug an.
„Weder noch“, sagte sie endlich, „Rogier
Stahl-Keevan. Sie kennen weder den Planeten noch diese Stadt. Hier
hat man die Fiktion aufrechtzuerhalten, alles sei ein großes,
sonnenüberflutetes Paradies. Die Menschen verdienen gut, die
Touristenströme ziehen wie die Lemminge hin und her, jeder, der
hier lebt, ist voller Freude. Die Männer sind faul und
sonnenverbrannt, die Mädchen sind teuer und schön, das
Leben verläuft ohne ein einziges Problem. Man hat Geld und gibt
es aus. Wenn Sie einmal ins Starmont gehen, können Sie mit dem
Preis eines Menüs eine kinderreiche Familie sechs Monate in
Erholung schicken. Und sie kommen hierher und verlangen, daß
ein einzelner Mensch etwas tun soll, das diese Fiktion einbrechen
läßt wie ein Kartenhaus. Sie sind direkt lächerlich,
Rogier.“
Rogier zeigte keinerlei Regung. Er verriet nicht, was er dachte;
er sah aus wie ein täuschend menschenähnlicher Androide,
den man vergessen hatte einzuschalten. Dann grinste er matt. Er bekam
etwas von einem hungrigen Wolf, der eine Beute wittert.
Langsam zündete er sich eine Zigarette an, öffnete,
indem er seinen Stuhl herumdrehte, die Klappe der Bar und zog zwei
Gläser und eine Flasche hervor. Hochprozentiger Alkohol floß
gluckernd in die Gläser, und Regier verteilte sie auf dem Tisch.
„Danke für den Vortrag“, sagte Regier. „Er
war recht einleuchtend.“
Mit versteinertem Gesicht sah das Mädchen ihn an. „Ich
bin nur ein einfacher Mann von zweiunddreißig Jahren mit einer
Bildung, die vermutlich zu wünschen übrig läßt.
Aber immerhin gibt es einige Dinge, die ich ziemlich gut verstehe.
Eines davon ist, wie man gewisse Dinge kombiniert, um daraus etwas zu
machen, das eine gewisse Qualität besitzt. Und noch etwas: Ich
komme auf diesen Planeten, in diese Stadt und diese Wohnung mit einem
klar umrissenen Auftrag. Unter dem Zeichen dieses Auftrages steht
jede meiner Handlungen. Und ich bin gern bereit, die Verantwortung zu
übernehmen für das, was hier geschehen wird. Restlos und
vollständig. Und es wird etwas geschehen, verlassen Sie sich
darauf.“
„Rogier Stahl-Keevan versus ZIRKON?“ fragte Satya kühl
und hob das Glas etwas an. Der Spiegel der Flüssigkeit begann zu
kreisen.
„Richtig. Mit dem geeigneten Hebel kann man bekanntlich
Welten aus den Angeln heben.“
„Für einen Mann vom Geheimdienst haben Sie eine
merkwürdige Art, sich auszudrücken, Rogier. Sie werden hier
binnen einiger Tage hilflos sein wie ein
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