PR TB 067 Der Endlose Alptraum
hätte, sie auf anderem Wege zum
Schatz von Askadir zu führen. Erdega konnte die Grenzen zwischen
Realität und Traum nicht mehr erkennen, er konnte nicht mehr
zwischen den realen Geschehnissen und seinem Wunschdenken
unterscheiden.
Noir berichtigte sich im stillen. »Wunschdenken« war
nicht der exakte Ausdruck für den von Erdega geschaffenen
Alptraum - es war eher ein »Angstdenken«, das durch
Erdegas Talent, Leben zu erschaffen, in Affinität zur
Wirklichkeit kam.
Erdega hatte achtzehn Jahre hindurch, so lange er in diesem Körper
weilte, immer wieder Ylina und Phillip ins Leben gerufen. Aus welchem
Grunde das geschah, würde noch zu erfahren sein, aber irgendwie
mochte es sich um eine Wunsch- oder Angsterfüllung handeln.
Entweder wollte er dadurch, daß Phillip Ylina immer wieder
tötete, sich selbst oder andere bestrafen.
Und die Erlösung von diesem Alptraum hatte er von der
Auffindung der »Schatzkiste« geträumt, aus der ein
Regenbogen aufsteigen und ihn aufnehmen würde - »damit
alle Not ein Ende hätte«. Mit der »Schatzkiste«
hatte Erdega selbstverständlich das Gefängnis gemeint, in
dem ihn sein Volk auf der Oberfläche ausgesetzt hatte. Er sehnte
sich in sein Gefängnis zurück, weil er diese Welt nicht
verstand, weil sie ihm immer fremd bleiben würde. Vielleicht
hatte Erdega einmal einen Regenbogen (über diesem Tal?) gesehen
und dabei Ruhe und Entspannung empfunden und nahm deshalb den
Regenbogen als Symbol für das Ende aller Not.
So oder ähnlich mußte die Erklärung für
Erdegas Traum lauten. Jedenfalls erhoffte er nichts sehnlicher als
die Rückkehr in die Geborgenheit seines Kerkers. Darum hatte er
durch die Alptraumgestalt Phillip den Shift kapern lassen. Daß
»Phillip« aber die Vernichtung der »Schatzkiste«
angedroht hatte, konnte einem
masochistischen Wesenszug Erdegas entspringen, der in einer Art
Selbstbestrafung begründet sein mochte.
Noir hoffte, die letzten Mosaiksteine an Ort und Stelle zu finden
und sie zu einem Ganzen zusammenfügen zu können.
Es war beinahe eine halbe Stunde vergangen, seit Phillip eins,
zwei und drei den Shift von der Waldlichtung gestartet hatten. Jetzt
landeten sie ihn auf einem Felsplateau im Askadir-Gebirge. Die
Scheinwerfer beleuchteten ein gespenstiges Bild: ein verlassenes
Steinhaus, von einer fast mannshohen Steinmauer umgeben - beides war
getarnt, so daß man es erst aus der Nähe von den Felsen
unterscheiden konnte. Im Haus lag auf einem einfachen Strohlager ein
menschliches Gerippe ausgestreckt, als sei es im Schlaf vom Tod
überrascht worden. Hinter dem Haus, in einem Stall, fanden die
Polizeibeamten die Knochenreste eines Rindes und einer Ziege.
Aber bevor sie noch eingehendere Untersuchungen vornehmen konnten,
begann einer der beiden Bug-Impulsstrahler des Shifts zu feuern und
vernichtete die einstige Behausung des Archäologen Phillip Costa
und seiner Frau Ylina.
»Jetzt kommt der Schatz dran«, sagte Phillip I.
Erdega, hindere sie daran, sandte Noir seine hypnotischen Impulse
aus. Lasse nicht zu, daß sie zweckentfremdend handeln. Wozu
hast du Phillip geschaffen? Was tat Phillip, Phillip Costa, der Vater
des Wesens, in dem du zu Gast bist - was tat er DAMALS. Du weißt
es, daß diese drei Alptraumwesen auch nichts anderes tun
können. Denn du hast sie geschaffen. Und nur DAFÜR hast du
sie geschaffen, Erdega. Zeige es mir, Erdega. Zeige mir die Bilder,
Erdega...
***
Drei lange Jahre hatte Phillip Costa im Askadir-Gebirge
zugebracht. Es waren drei Jahre voller Entbehrungen gewesen. Aber der
Verzicht auf die Annehmlichkeiten der Zivilisation, die harte Arbeit,
das tagelange Durchwandern des Höhlenlabyrinths, das alles war
schließlich doch noch von Erfolg gekrönt worden.
Phillip hatte den Schatz von Askadir gefunden. Wenn es auch nicht
jene sagenhafte Stadt war, über die die Legenden berichteten, so
war sein Fund doch recht beachtlich. Ein Kubus, mit einer Seitenlänge
von einem Meter und gut eine Tonne schwer - es war die größte
Entdeckung, die von Menschen je über die versunkene Kultur der
Askadier gemacht worden war. Diesen Erfolg hatte Phillip letzten
Endes auch seiner Frau Ylina zu verdanken, die ihm jederzeit
tatkräftig beistand und ihm eine moralische Stütze gewesen
war. Sie hatte ihm aufmunternd zugesprochen, wenn er von tagelangen
Expeditionen erfolglos zurückgekommen war, sie hatte ihm die
Kraft gegeben,
anstatt zu resignieren, unermüdlich weiterzusuchen. Deshalb
war es ihr zu verdanken, daß er
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