PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
verschloß
sie und ging hinaus in die Mittagssonne. Wir hatten, seitdem der Löwe
Neter-Nacht angefallen hatte, mehr als acht Stunden gebraucht. Ich
wusch mich ausgiebig an der Quelle und sah, daß sich die Männer
um den Wagen und die Pferde gekümmert hatten; mit der Menge von
Neugier, die sie aufbrachten, schienen
sie den fremdartigen Pferden gegenüber die gleiche Behandlung
angewandt zu haben wie ihren halbwilden Großeseln. Die Tiere
waren ausgeschirrt worden, waren sauber und abgeputzt und weideten
neben den halbzahmen Schafen. Die Männer umstanden den Wagen,
der für sie unfaßbar neu war. Als ich die Taschen
anschnallte, wichen sie etwas zurück, umringten mich aber gleich
darauf.
Einen Fehler durfte ich nicht begehen — er würde mich
das Leben kosten, ehe ich daran dachte: Ich durfte niemals meine
Überlegenheit ausnützen. Denn ausgerechnet dann, wenn ich
meine überlegenen technischen Mittel nicht mehr besaß, war
ich fast jeder Situation hier unterlegen, weil ich fremd war.
»In meinem Land, dort, wo ich regiere, haben wir andere
Dinge als hier«, sagte ich wie entschuldigend. Anders, nicht
besser — das war die Lösung.
»Wird Neter-Nacht leben, Arzt?«
Ich senkte den Kopf.
»Ich habe getan, was ich konnte. Sein Leben ist in Atums
Hand«, sagte ich. »Aber seine Zeit ist noch nicht
gekommen. Ich werde nachts bei ihm wachen.«
»Gut, Arzt. Er wird dich seinen Bruder nennen, wenn er
aufwacht!«
Ich lachte kurz.
»Vielleicht!« sagte ich.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß alles das, was mich
unmittelbar betraf, in Ordnung war, machte ich einen Rundgang durch
die Oase. Sie war kaum größer als vier Quadratkilometer.
Eine Herde halbwilder Schafe, die Esel der Gespanne, eine Gruppe von
Antilopen, die nicht im mindesten scheu waren, etwa dreihundert
Fahnen und die
niedrigen Sträucher, die von den Ziegenherden binnen weniger
Jahre zerstört wurden, waren alles, was ich sah. Die Hirten
setzten sich aus drei Großfamilien zusammen, etwa fünfzig
Menschen. Sie lebten einfach und fast ärmlich, aber sie
hungerten nicht. Milch, Felle, Früchte und ein gelegentlicher
Braten ernährten sie. Sie tauschten die Felle gegen Getreide
ein. Sie lebten offensichtlich gesund und mehr oder weniger den
Zufällen unterworfen. Ich war auch für sie ein Fremder —
irgendwie unheimlich, weil ich aus einer Gegend kam, die sie nicht
kannten. Alles, was ferner war als zehn Tagesreisen, schien bereits
jenseits des Begreifens zu liegen. Ich nahm an, auch hier auf die
Beobachtungen meiner Spionsonden gestützt, daß sich der
geistige Horizont zugleich mit dem sozialen Rang erweiterte; je höher
man stand, desto weiter war die Aussicht. Gerade, als ich die Hütten
wieder sah, kam mir Hepetre entgegen.
»Atlan-Anhetes«, sagte er. »Hier.«
Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er einen Ring. Das
Schmuckstück war etwa doppelt so groß wie das letzte
Daumenglied. In einer schweren Goldfassung zeigte es ein halb
stilisiertes Auge, das Zeichen für kämpfen; einen Arm mit
dem Beil, die Glyphe für Bogen. Der Text im Obsidianstein sagte
also, daß der Besitzer dieses Ringes ein sicheres Auge habe,
und bogenschießender Soldat des Pharao war.
»Was soll ich damit?«
Hepetre sank auf ein Knie nieder und stand sofort wieder auf; eine
symbolische Geste. Was er sagte, war allerdings weniger symbolisch.
»Ich bin der Freund und Bruder des Neter-Nacht.«
Ich nickte.
»Gut. Und dieser Ring?«
Er lächelte zurückhaltend und griff nach meiner linken
Hand.
»Ich habe den Ring von seinem Finger gezogen. Wenn er
erwacht, wird er das gleiche wollen. Du willst nach Memphis, Heiler
der Wunden?«
Ich senkte kurz den Kopf.
»In Memphis wird dieser Ring jede Tür öffnen.
Neter-Nachi ist der Liebling des Menes
— er lebe ewig! —, und er würde tun, was ich
jetzt tue. Willst du in Memphis bleiben, Atlan-Anhetes?«
Ich deutete kurz mit beiden offenen Händen zum Himmel.
»Wenn Atums Licht mit mir ist, bleibe ich. Ich werde die
Menschen heilen — oder es versuchen.«
Hepetre sah unsicher an mir vorbei nach Osten, dann sagte er
entschlossen und etwas lauter:
»Du wirst, denke ich, morgen mit deinem wunderbaren leichten
Wagen fahren. Ich schicke ein Gespann in die Stadt zurück —
jetzt. Sie sollen erklären, was dem Feldherrn zugestoßen
ist
und sollen sagen, wer ihn rettete. So soll es geschehen. Und ...
du wirst im Haus des Neter-Nacht wohnen.«
Ich legte kurz meine Hand auf seine Schulter und -ückte
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