PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
mit dem großen
Meister der Salben sprechen. Du erlaubst es?«
Kochend vor Zorn flüsterte der junge Feldherr:
»Ich erlaube es, Priester des Anubis.«
Wieder ruhten die stechenden, großen Augen auf mir. Der
Priester deutete mit dem Arm hinüber in die Richtung des
Tempels, den ich von innen aber noch nie gesehen hatte und sagte fast
eintönig:
»Die Priester des Anubis und der, dessen Bild der Horus ist,
bitten dich. Du mögest mit deinen Messern und Salben in den
Tempel kommen.«
Das Geräusch, mit dem drei Menschen scharf die Luft einzogen,
war wie das Zischen der Uräusschlange. Ich sah, daß meine
drei Freunde erschraken.
»Wer braucht mich?« fragte ich, ohne meine Stellung zu
verändern.
»Dich braucht Ägypten«, sagte der Priester leise.
»Vor einer Stunde brachten sie Menes, den Pharao, den Geliebten
Amuns. Er liegt im Tempel und muß sterben, wenn du ihm nicht
hilfst.«
Langsam stand ich auf. Ich fühlte, wie meine Finger
unbeherrscht zu zittern begannen, und mein Logikhirn sagte kurz:
Dein Palmschößling ist zu einem Baum geworden, freund.
Sieh zu, daß du nicht die Axt an seinen Stamm legst — er
würde dich erschlagen.
»Nein. Sage, daß es nicht wahr ist!« flüsterte
ich.
Mentu-antef blieb ungerührt.
»Die Eile, hörte ich, sei die erste Pflicht des Arztes.
Ist der Schrecken so groß, daß du zögerst?«
»Wenn ich zögere, Mann der Götter«, sagte
ich bedächtig und bezwang meinen dringenden Wunsch, den Priester
über das Dach zu werfen, »dann ist es deswegen, weil ich
wohl weiß: öffne ich den Körper des Gottkönigs,
begehe ich einen Frevel.
Ich will nicht ermordet werden, weil ich den Pharao heile. Sind
die Wunden schlimm?«
Der Priester nickte ernst.
»Er wird vielleicht sterben.«
»Gut«, sagte ich. »Neter-Nacht, mein Freund —
wenn ich nicht mehr zurückkomme, dann weißt du, wo du
meine Leiche suchen mußt.«
Der Feldherr schlug hart gegen seine Brust und erwiderte mit einem
Seitenblick auf Hepetre:
»Ich weiß, wo ich dich finde, Freund Anhetes.«
Ich nahm die Leiter, lief in mein Zimmer und holte die wichtige
Packtasche, winkte Ti, dem Wolf, und ging zurück. Ehen-ufer
hatte bereits einem der beiden Pferde die Zügel angelegt und den
einfachen Sattel, den ich konstruiert hatte, umgeschnallt. Ich stieg
auf, hielt die schwere Packtasche in einem Arm und bedeutete dem
Priester, sich am Steigbügel festzuhalten. In einem gemäßigten
Trab, der Mentu-antef den Schweiß auf die Stirn und den Rücken
trieb, näherten wir uns dem Tempel des schakalköpfigen
Gottes. Irgendwo standen Menschen mit Fackeln.
Der Tempel war rechteckig, bestand in der Außenfront aus
vierzehn Teilen, die in je vier Säulen ausgearbeitet waren. Aber
die Säulen waren noch fest mit dem Bauwerk verbunden. Sie sahen
aus wie stilisierte Papyruspflanzen, und zwischen den vier
Säulenbündeln der Vorderfront erblickte ich drei Eingänge,
mit kupferbeschlagenen Holztoren geschlossen.
Ich hielt das Pferd neben der Treppe an, nahm die Tasche und warf
den Zügel einem Mann zu, der plötzlich aus der Dunkelheit
auftauchte. Mit langen Schritten eilten wir die Treppen hinauf.
Soldaten tauchten aus der Dunkelheit auf, sie warteten stumm und
voller tiefer Beklemmung.
Dann, ohne daß etwas Auffälliges geschehen wäre,
öffneten sich die Tore.
Der schweigende, fahl erleuchtete Innenraum nahm uns auf. Knarrend
drehten sich die Türflügel — wir waren
eingeschlossen. Dunkle Gestalten erfüllten den Innenraum mit
schattenhaften Bewegungen, rauchende Fackeln brannten zwischen Säulen
und Pfeilern. »Ich brauche heißes Wasser und Licht,
weißes, sauberes Leinen und Ruhe«, sagte ich.
»Du wirst bekommen, was du brauchst«, sagte
Mentu-antef.
»Und«, bemerkte ich, »falls die Priester des
Anubis wieder versuchen sollten, mich umzubringen, sollten sie dies
hier im Tempel tun. Aus einem feigen Mord würde ein Wunder des
Anubis werden«, sagte ich.
Ich beachtete die Figuren nicht, die zwischen den Säulen in
der Finsternis lauerten. Ich roch den süßlich-stechenden
Weihrauch, den Gestank der Fackeln, dann sah ich in dem halben Licht
den Pharao.
»Dort liegt Menes«, sagte der Priester.
Ich blieb stehen. Menes lag auf einer blutgetränkten Decke
auf einem steinernen Tisch, etwa sechs Handbreit hoch. Die Decke
klebte bereits am Stein, und die Brust des jungen Mannes hob und
senkte sich nur langsam. Überall traten jetzt Priester aus dem
Schatten, Gestalten in langen, feierlichen Gewändern mit den
Masken
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