PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
der rechten
Hand bedeckte er das Medaillon auf seiner Brust, das wieder den
Schakalkopf des Anubis zeigte.
»Du weißt, daß die Sonne im Mittag steht?«
fragte er und stieß zweimal mit dem kurzen Stock auf die
schwarzen Platten.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Tragt ihn vorsichtig. Sein Kopf ist von einem harten
Schlag getroffen worden, und sein Verstand wird irr, wenn er sich zu
viel bewegt. Ernährt ihn mit Säften der Früchte und
mit dem Absud teuren Fleisches. Ich komme in einem halben Tag wieder
. . . seid vorsichtig.«
Jetzt erkannte ich deutlich auch das Innere des Tempels.
Bis jetzt hatte ich mich scharf auf die Arbeit konzentriert. Jetzt
sah ich die wuchtigen Säulen, die aus schwarzem oder
geschwärztem Stein bestanden. In ihnen waren die Linien
eingraviert, die aus den Säulen Schilfbündel machen sollten
Vor einem schmalen Doppeltor, das in einen noch tieferen T pel-bezirk
führte, stand die Stele des Horus neben der des Ptah und der des
Anubis. Zwischen dem Priester und mir kam jetzt die Maske mit dem
Falkensymbol näher, mit kleinen Schritten, und betrachtete
schweigend den Pharao.
Dann deutete sie nach rechts.
»Ich gehorche, Bild des Horus«, sagte Mentu-antef
leise.
Die Gestalt bewegte sich bis in die Nähe zweier Säulen,
vorbei an Ti, der seit dem Beginn der Operationen regungslos dort
lag, verschwand dann plötzlich. Der Tempel war eine Studie in
Dunkelheit, in strengen Formen, einer niederdrückenden
Demonstration der übersinnlichen Mächte, wie ich sie nicht
einmal im finsteren Uruk erlebt hatte.
Wieder hatte ich den auffälligen Ring gesehen, wieder hatte
ich mir das Bild in dem riesigen Karneol eingeprägt. Ich hob
meine Tasche auf, warf den Lichtwürfel weg und nickte.
»Ich komme kurz nach Sonnenuntergang wieder, Priester«,
sagte ich. »Was ist der Lohn für diese Arbeit? Ein
weiterer Mordversuch ?«
Ich stand vor Erschöpfung breitbeinig da, die rechte Hand am
Dolchgriff des Oberarms. »Es wird die Zeit kommen, in der uns
allen klar wird, was wir getan, und was wir unterlassen haben. Dann
wird jeder über jeden alles wissen, denn beim Ptah, bei
ta-tenen, gibt es nur die Wahrheit.«
Ich ging langsam und fast stolpernd auf eines der Tore zu.
Geräuschlos folgte der goldene Wolf.
»Ich hoffe, diesen Tag noch zu erleben«, sagte ich und
trat hinaus in den grellen, schmerzlich blendenden Sonnenschein. Als
sich die Augen an das Licht gewöhnt hatten, sah ich mein Gespann
und daneben zwei Männer; Neter-Nacht und Hepetre.
Neter-Nacht grinste breit, um seine Erleichterung zu verbergen.
»Du lebst, Liebling des Re! Lebt der Pharao?«
Ich schüttelte ihre Unterarme.
»Er lebt. Er schläft. Und ich bin völlig am Ende.«
Neter-Nacht schien, wie ich gleich sehen konnte, mißtrauisch
und aggressiv zugleich gedacht zu haben. Überall in der Nähe
des Tempels lungerten »zufällig« Soldaten herum. Der
Feldherr und sein Freund waren schwer bewaffnet, und der Mann, der
die Pferde hielt, trug meinen Bogen auf dem Rücken. Je näher
wir über die flachen Stufen dem Gespann kamen, desto mehr
Soldaten verschwanden in den engen Gassen der Tempelnähe.
»Dich erwartet Ehenufer mit einem duftenden Bad und einer
Massage mit warmem öl«, sagte Hepetre dröhnend. »Und
Nebkare mit einem Essen. Wir werden schweigen und zuhören, was
du berichtest.«
Es schien eine Lähmung über Memphis gekommen zu sein.
Nichts zieht so schnell weite Kreise wie das Flüstern von
Gerüchten. Die gesamte Stadt wußte, daß eine Kohorte
von Nomaden die Vorhut des zurückkehrenden Zuges überfallen
hatte; Menes und seine Männer hatten sich gewehrt wie Löwinnen.
Dann war der
Hauptzug heran, entsetzte die kämpfenden Bogenschützen
und Lanzenträger und metzelte die Nomaden nieder. Der Pharao,
den man in den Tempel brachte, weil man sich von Ptah und Anubis mehr
Hilfe versprach als von herkömmlichen Methoden, lag im Sterben,
und dasselbe murmelnde Gerücht zwang die Priester, sich des
fremden Wunderarztes zu bedienen. Ich hatte mir Freunde geschaffen,
viele Freunde, denn das Volk hing sklavisch an Menes — aber
auch Feinde. Ich hatte sie in den Reihen der klerikalen Intelligenz
zu suchen; die Priester des Anubis, vermutlich ins Land gekommen wie
ich, würden versuchen, mich von der Seite des Pharao zu stürzen.
Sie hatten mich gebraucht, das Werkzeug würde zerstört
werden, wenn es seinen Zweck erfüllt hatte.
Schlafe dich aus, dann ergehe dich weiter in Spekulationen, sagte
mein logischer
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