PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
von Tieren statt der Köpfe. Vor einer schwarzen Statue
des Horus, des Falkengottes, stand unbeweglich eine schlanke Gestalt,
deren Kopf die Maske des Falkengottes bedeckte.
Ich legte meine Packtasche nieder, öffnete sie, nahm einen
der winzigen Lichtwürfel heraus und aktivierte ihn. In der Mitte
des Tempels brannte plötzlich ein stechendes Licht,
das harte, scharfkantige Schatten warf.
»Zuerst: vier Kessel kochendes Wasser auf vier Feuerstellen.
Schnell!« sagte ich. »Und einen großen Krug kaltes
Wasser!«
Es dauerte nicht lange, dann standen die fünf Kessel da,
mächtige Kupfergefäße über Glutschalen. Das
Wasser brodelte und dampfte. Die Priesterschüler zogen sich
wieder zurück.
»Ehe nicht der Tempel leer ist«, sagte ich und
verschränkte die Arme vor der Brust, »betrachte ich nicht
einmal die Wunden des Menes.«
Ich konnte nicht riskieren, daß ein halbes Hundert Priester
mich umstanden und meine Eingriffe kommentierten.
Ich legte den Lichtwürfel ab, und die Gestalt des Menes wurde
voll sichtbar. Mentu-antef sah zu, wie die jungen Priester
aufgerollte Leinenstreifen brachten, ölkrüge und
wohlriechende Flüssigkeiten, von denen ich höchstens ein
Drittel kannte.
»Hinaus — ihr alle!« sagte der Priester.
Ich wandte mich an ihn.
»Dort. Diese Maske. Sie soll gehen!«
Der Priester schüttelte den Kopf, und sein arroganter Ton
schwand, als er sagte:
»Wir können dem Licht des Horus nicht befehlen. Er wird
wachen und den Segen der Götter auf dich und Menes lenken.«
»Gut«, sagte ich. »Auch du wirst gehen,
Mentu-antef.«
Einige Zeit später war ich allein. Ich breitete zuerst meine
Geräte auf einem Streifen der Leinwand aus, dann reinigte ich
die wichtigsten Instrumente. Zuerst nahm ich den Aktivator vom Hals
und legte ihn auf die Brust des Menes; er konnte zu wirken beginnen,
noch ehe ich wußte, was dem jungen Gottkönig wirklich
fehlte. Dann wusch ich meine Hände, indem ich heißes und
kaltes Wasser mischte, überlegte kurz und ging an die Arbeit.
Der geheimnisvolle Wächter beobachtete mich scharf, aber die
flüsternden Stimmen und die Atemgeräusche rings an den
Wänden, hinter den Götterbildern und den Säulen,
zwischen den wuchtigen Steinsockeln, waren verstummt.
Was war mit Menes geschehen?
Er war offensichtlich niedergeschlagen worden und dann aus großer
Höhe irgendwo heruntergestürzt oder geworfen worden.
Plötzlich, wie ein Schatten, stand wieder der Priester neben
mir.
»Ich vergaß es«, sagte er leise, »wenn du
etwas brauchst, klatsche dreimal in die Hände.« »Ich
brauche dünne Bretter«, sagte ich schnell. »So lang,
so dünn und etwa so breit.« Ich zeigte die Maße mit
den Händen.
»Sie werden dir gebracht«, versprach Mentu-antef und
verschwand wieder so leise, wie er gekommen war.
Ich spritzte wieder ein herzstärkendes Mittel und begann, den
Körper des Pharaos zu säubern. Menes lag in einer
Bewußtlosigkeit, die fast so tief wie der Tod war. Die meiste
Arbeit hatte der Aktivator — er würde die Zellen anregen,
sich in einem rasenden Tempo zu regenerieren. Das ging natürlich
auf Kosten der Gesamtenergie vor sich, aber Menes war jung.
Die erste Wunde hatte die Kopfschwarte von der Nasenwurzel bis an
den Haarwirbel
aufgerissen. Ich rasierte das Haar ab,
desinfizierte die Wunde und ließ sie offen, sprühte
dann ein Antibiotikum darauf. Das Schlüsselbein war gebrochen,
und der linke Unterarm zweimal. Die Hände waren intakt, ich
tastete jeden Knochen ab und war mehr als nur peinlich genau. Mit dem
Leinen und warmem Wasser wusch ich Schorf, Dreck und Sand vom Körper,
warf die Lumpen achtlos hinter mich. Aus dem Oberschenkel ragten zwei
lange Knochensplitter, und ein Bluterguß blähte das Gewebe
zwischen Knie und Leistengegend auf. Zwei Knebel waren aufgerissen,
ein Schienbein war gerade abgebrochen, und die Arterie des linken
Oberschenkels war verletzt; man hatte einen Knebel angelegt, der den
jungen Mann vor dem Verbluten gerettet hatte, aber gleichzeitig, da
er zu lange anhielt, die Gefahr des Wundbrandes hervorrief.
Das bedeutete eines: Ich mußte den Körper des Menes
öffnen.
Ich wusch die Stille ab, desinfizierte sie und schnitt mit dem
Skalpell den Tuchstreifen durch. Die Naht, mit der ich das große
Blutgefäß zusammennähte, kostete mich zwei Stunden
Arbeit, eine Reihe unterdrückter Flüche und einen halben
Nervenzusammenbruch. Als ich mich aufrichtete, mir die Hände
wusch und dann den Kopf ins kalte Wasser tauchte, fühlte
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