PR TB 070 Die Verlorenen Des Alls
helfen?“
„Als Einzelperson vermag er das auch nicht“,
antwortete Palmer, „innerhalb einer Gruppe bildet er allerdings
ein wichtiges Mitglied.“
„Dann befinden sich mehrere Personen auf Ihrem Raumschiff?“
„Ja.“ Palmer schien ihre nächste Frage zu ahnen,
denn er fügte hinzu: „Im Augenblick ist die Identität
der Personen für Sie aber nicht wichtig.“
„Und was wollen Sie von uns?“
„Ich werde es Ihnen erklären.“
„Vielleicht doch nicht hier“, warf Wilma ein. „Michael
könnte aufwachen“
Palmer versprach ihr, jemand werde auf Michael aufpassen und sie
bei seinem Erwachen sofort verständigen. Als sie daraufhin das
Krankenzimmer verließen, kamen sie wieder in einen Korridor
hinaus.
„Ich vermute“, sagte Wilma, während sie den
Korridor hinunterschritten, „daß Ihr Volk eine
hochentwickelte Technik besitzt.“
„Im Vergleich zur Menschheit vielleicht schon“,
entgegnete Palmer. „Aber wir haben Zivilisationen im weiten
Universum kennengelernt, die der unseren diesbezüglich überlegen
sind. Doch ist das für uns unmaßgeblich, wir legen andere
Maßstäbe an. Wissenschaft und Technik sind für uns
nur Überbleibsel aus unserer grauen Vergangenheit daran
gemessen, stehen wir schon seit Jahrhunderttausenden auf derselben
Stufe.“
„Ihre Rasse degeneriert?“ vermutete Wilma. „Brauchen
Sie deshalb unsere Hilfe?“
Palmer verneinte. Er fuhr fort: „Wir befinden uns in keiner
Emanation, noch degenerieren wir
- obwohl uns beide Erscheinungen nicht erschüttern würden,
denn wir haben uns den weltlichen Dingen abgewandt. Sehen Sie, Madam,
wir haben die Leere des Daseins erkannt, die Sinnlosigkeit des
Lebens; deshalb können wir behaupten, das Absolute erreicht zu
haben.“ Wilma zog sich mit ihren Gedanken in sich zurück,
während Palmer sie den schnurgeraden Korridor hinunterführte.
Sie überdachte das Gehörte, und ihr Geist assoziierte es
unwillkürlich mit der „Existenzphilosophie“. Aber
sie mußte nach einigem Überlegen einsehen, daß
Palmers Philosophie - und die Philosophie seines Volkes mit keiner
Richtung der menschlichen Existenzphilosophie konform ging. Zu
Kierkegaard, Jaspers und Marcel Parallelen ziehen zu wollen, hieße,
ihr Wort mißzuverstehen. Aber selbst Jean Paul Sartre, der vom
leeren Dasein spricht, meint damit nicht, daß das Leben sinnlos
sei, denn: „Der Mensch ist das, was er macht.“ Er kann
sein Leben also gleichwohl sinnvoll und sinnlos gestalten. Palmer
dagegen meinte eine „Todesphilosophie“.
Sie kamen in einen blühenden Garten. Wilma erkannte schnell,
daß er nicht der Freude und Erholung diente, sondern die
Versuchung darstellte. Sie sah viele Kinder, aber keines von ihnen
erlag dieser Versuchung. Ihr wurde kalt bei ihrem Anblick, es schien
ihr, als seien es inhaltslose Wesen, Puppen - lebende Tote. Sie mußte
sich gewaltsam von den Gefühlen trennen und zum logischen Denken
zwingen. Es ist falsch, anzunehmen, daß alle Wesen sich an dem
Anblick eines Paradieses erfreuen müßten.
„Und wo liegen Ihre Probleme?“ fragte Wilma. Ihr
schien es, als sei seit einer Ewigkeit kein Wort mehr zwischen ihr
und Palmer gefallen.
„Die Bevölkerungsexplosion“, antwortete Palmer.
Wilma war irritiert. „Das verstehe ich nicht“, sagte
sie. „Ich dachte, es handle sich um Probleme philosophischer
Natur.“
„Woran haben Sie gedacht?“
„Ich dachte, Sie befürchten Schwierigkeiten in der
Verständigung unserer beiden Völker.“ „Nein.
Wir haben nicht die Absicht, Verbindung mit der Menschheit
aufzunehmen.“
„Aber Sie haben es bereits getan.“
„Zwangsläufig. Wir brauchen fremde Hilfe, und wir haben
uns an die Menschen gewendet, weil ihre Mentalität uns als
vielversprechend erschien. Wir haben in Bälde eine
Überbevölkerung unseres Raumschiffes zu befürchten.
Wir müssen dieses Problem lösen.“ „Sie
verwirren mich immer mehr“, gestand Wilma. „Wenn Sie das
Leben als sinnlos betrachten, dann verstehe ich nicht, daß Sie
sich überhaupt mit Problemen des Lebens abgeben.“
Palmer sagte: „Wir tragen überhaupt nichts dazu bei.
Wir sind unsterblich, aber wir vermehren uns rasch. Die Vermehrung
ist bei uns eine motorische Körperfunktion, sie geschieht ohne
Paarung. Verstehen Sie nun?“
„Ja“, sagte Wilma, „aber noch nicht ganz. Sie
müssen mir mehr über Ihr Volk erzählen.“
In diesem Augenblick brach der Himmel über der paradiesischen
Landschaft auf, und ein pulsierender, zuckender Schleimberg
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