PR TB 078 Irrfahrt in Die Vergangenheit
hinauf
starrte.
Eine Weile herrschte nachdenkliches Schweigen, dann brach ein
wahrer Sturm von Antworten aus der Menge los.
»Kalt.«
»Winter.«
»Feiertag.«
Fatso erklärte Rhodan: »So primitiv sie auch sind, so
halten sie sich doch streng an ihre Bräuche. Einmal in sieben
Tagen halten sie >Feiertag<, da lassen sie alle Arbeit ruhen.
Wir scheinen an einem solchen Tag gekommen zu sein. Außerdem
sind sie im Winter ohnedies kaum auf den Feldern anzutreffen.«
Rhodan nickte in Gedanken.
»Ich kenne diese Regelung«, sagte er. »Der Gott
einer terranischen Religion hat von seinen Gläubigen verlangt,
sie sollen am siebten Tag ruhen.«
»Sie haben noch andere seltsame Bräuche, die unseren
Geschichtsforschern Rätsel aufgeben«, meinte Fatso. »Bei
keinem anderen Volk auf Zangula trifft man die Einehe an. Die
Hyoniden aber gehen eine Gemeinschaft mit nur einem Weib ein - und
das für Lebensdauer. Wir haben auch herausgefunden, daß
sie die Fortpflanzung unter Blutsverwandten als abscheuliches
Vergehen ansehen. Das ist ungewöhnlich für ein so
primitives Volk.«
»Du hast einmal ein Erntedankfest erwähnt«,
erinnerte Rhodan.
»Es findet im Herbst statt, nachdem die Ernte eingebracht
wurde«, erklärte Fatso. »Aber wenn ich den Eindruck
hinterlassen habe, daß es sich um ein wildes, ausschweifendes
Fest handelt, so muß ich mich berichtigen. Es ist mehr ein
feierliches Zeremoniell, bei dem die Jungen sich ihre Partner
erwählen und die Alten für einige Tage in sich gehen, als
wollten sie sich innerlich reinigen und sich von einer bis zu diesem
Tage anlaufenden Schuld befreien.«
»Was geschieht mit der Ernte?« wollte Rhodan wissen.
»Ich habe nirgends Scheunen gesehen, die all das Getreide
aufnehmen könnten.«
»Die Scheunen stehen bei den Ezeken«, antwortete
Fatso. »Dieses Land gehört den Ezeken. Sie lassen die
Hyoniden die Ernte einbringen und holen sich dann die Erträge.
Die Hyoniden lassen es geschehen. Es scheint so, als sei es ihr
Lebensinhalt, die Felder zu bebauen. Mehr wollen sie nicht.«
Wenn Rhodan bisher gezweifelt hatte - jetzt konnte er sich der
Wahrheit nicht mehr verschließen. Es wies alles darauf hin, daß
die Hyoniden von den terranischen Pionieren abstammten. Die Bräuche
der christlichen Religion, an denen sie festhielten und ihre typisch
terranische Moral - und schließlich, daß sie konsequent
der Feldarbeit nachgingen. Es paßte alles zusammen. Er brauchte
nur noch die Antwort auf eine einzige Frage: Was hatte ihren
geistigen Rückfall verursacht?
»Es können nicht alle davon betroffen sein«,
sagte er laut.
»Was meinst du?« wollte Fatso wissen.
Rhodan dachte an Amon Lee. Er hatte noch im Sterben gesagt, daß
er Terraner sei. Aber er hatte mit den Hyoniden nichts gemein gehabt.
Amon Lee hatte Interkosmo als »Die Sprache der Gelehrten«
bezeichnet und ein »Buch mit 7 Siegeln« erwähnt. Wo
waren die Gelehrten? Wo das Buch?
»Habt ihr einen Anführer?« fragte Rhodan die
Hyoniden. Er ließ ihnen einige Sekunden zum Nachdenken, doch
als er auch dann keine Antwort erhielt, wiederholte er seine Frage
und wählte andere Bezeichnungen für Anführer. Aber
erst als er fragte: »Wo sind die Gelehrten?« zeigte sich
Erkennen auf den Gesichtern der Hyoniden. Sie schnatterten aufgeregt
im nördlichen Dialekt durcheinander und ihre Gesichter erhellten
sich.
Eine verbrauchte Frau, mit einem Kleinkind auf dem Rücken,
bahnte sich einen Weg zu Rhodan und ergriff seine Hand.
»Mitkommen«, sagte sie und führte ihn mit sich
durch die Menge, die eine Gasse freigab.
Auch Fatso wurde aufgefordert, mitzukommen. Und aus der Menge
erschollen lebhafte Rufe, wie: »Geschichten. Terra. Solares
Imperium. Buch. Hören.«
Rhodan wußte, daß er auf dem richtigen Weg war, als er
sich mit der Menge durch die winkeligen Straßen treiben ließ.
Da Fatso nicht Interkosmo verstand und Rhodan annehmen mußte,
daß er das Ausgelassenheit der Hyoniden vollkommen
verständnislos gegenüberstand, erklärte er ihm:
»Sie bringen uns zu den Gelehrten.«
»Na, und?« machte Fatso unbeeindruckt. »Ich
hätte dich auch hinführen können - und dazu noch, ohne
solches Tamtam zu machen.«
***
Die Hyoniden brachten Rhodan und Fatso zur größten
Hütte, die in der Mitte der Ansiedlung stand.
Es gab nur einen einzigen Raum. An den Wänden hingen
Raumanzüge, terranische Waffen, technische Geräte und das
Banner des Solaren Imperiums. Im Gegensatz zu den anderen
Unterkünften gab es einige
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