PR TB 092 Der Ritter Von Arkon
getraute sich, auch nur die Zügel der Pferde anzurühren.
Ich sagte:
»Keiner von euch braucht Angst zu haben. Ich bin in
Abergavenny, und ich habe eine Arznei, die gegen die Pest wirkt.
Achtet nur darauf - jede Ratte, die ihr seht, muß erschlagen
werden. Und wenn eure Ritter von der Burg kommen, sagt ihnen das
alles. Ihr habt verstanden?«
Sie nickten, noch immer im Bann der Angst. Ich hob grüßend
die Hand und wendete mein Pferd. In ihren Gedanken würde jetzt
die Furcht vor der Pest, vor Geschwüren und jämmerlichem
Tod, wuchern und wachsen und alle anderen Menschen anstecken. Sie
würden freiwillig zu mir kommen; mehr wollte ich nicht.
»Zurück zum Dorf!« sagte ich zu Gromell.
Wir warfen einen letzten Blick hinüber zu der Burg, dann
spornten wir die Pferde an und ritten zurück in die Siedlung.
Mein Wolf jagte noch immer Ratten und tötete sie, und der Falke
schwebte um die Zinnen der Burg und stellte fest, wieviel Menschen
sich dort aufhielten und was sie sprachen. Vielleicht war auch jemand
aus der Burg der Zauberer dabei?
Nach einer Weile sagte Gromell:
»Es gibt wirklich eine Rettung vor der Pest, Atlan?«
»Ja«, sagte ich. »Es gibt für fast alle
Dinge eine Rettung, ausgenommen vor der menschlichen Dummheit und der
Intoleranz.«
»Ich verstehe«, sagte er, »aber da du aus einem
fernen Märchenland kommst, darfst du unsere rückständige
Insel nicht allzusehr verachten.«
Ich gab scharf zurück:
»Würde ich die Sachsen verachten, wäre ich nicht
hier, Freund Gromell. Du selbst bist ein lebendes: Beispiel dafür!«
»Entschuldige«, sagte er. »Hin und wieder ist
meine Zunge doch zu locker. Aber ich müßte sonst vor dir
in den Boden versinken!«
»Eines Tages«, sagte ich grinsend, »werde ich
dich so verprügeln, daß du neben dem Pferd laufen mußt,
weil du nicht sitzen kannst.«
»An diesem Tag wird unsere Freundschaft neu besiegelt
werden«, sagte er und setzte über einen Graben hinweg.
Inzwischen hatte ich einen neuen Plan, wie ich die Dorfbevölkerung
von der Gefährlichkeit einer Seuche und von den Vorteilen der
Sauberkeit überzeugen konnte. Ich setzte meine Gedanken in die
Tat um, kaum daß wir wieder in unserem Haus waren.
***
Zuerst unterhielt ich mich lange mit Vater Ambrosius, dem Prior
des kleinen Klosters. Ich überzeugte ihn davon, daß es
außer dem sichtbaren Schmutz auch unsichtbare Dinge gab, den
Ausdruck Viren oder Bakterien erwähnte ich nicht. Ambrosius
sicherte mir seine Mithilfe und die seiner Mönche zu, und er
schickte die Brüder auch sofort los, um die gesamte Bevölkerung
Abergavennys am nächsten Mittag auf dem Platz vor dem Kloster zu
versammeln. Er drohte bei Strafe des Himmels an, daß niemand
auf dem Feld oder in seinem Haus bleiben durfte. Mein Publikum würde
also groß genug sein.
Dann ging ich selbst an die Arbeit, ließ mir von Arrow
einige tote und lebende Ratten bringen, fing einige Pestflöhe
und löste eine riesige Menge von Antibiotika in dünnem Bier
auf, nachdem ich mich durch einen langwierigen Test davon überzeugt
hatte, daß die Wirkung nicht verlorenging. Einen kleineren Teil
löste ich in Milch, die ich vorher gefiltert hatte. Dann
überdachte ich meine Aktion und trug schließlich mit
Gromells Hilfe einen Tisch hinaus auf den Platz. Der Wolf jagte noch
immer Ratten; mehr als tausend lagen schon in der Grube und
verbrannten. Der Wind trug die süßlich stinkende
Rauchwolke nach Westen. Ein heißer, sonnenklarer Tag brach an.
Schließlich stand die Sonne im Mittag.
»Ich habe keine Ahnung, Atlan, was du vorhast. Aber ich
vertraue dir«, sagte Gromell. Wir standen vor den Mönchen,
hinter dem großen Tisch, und immer mehr Landleute und
Handwerker kamen zusammen. Sie bildeten einen Halbkreis, vier oder
fünf Glieder tief. An den Tisch wagten sie sich nicht heran -
eine Aura des Geheimnisvollen schien von mir, dem fremden Ritter,
auszugehen. Das war geplant. Gromell stieß mich an.
»Zwei Ritter. Und ihre Leute. Ich erkenne ihre Gesichter,
wir haben sie draußen auf dem Turnierplatz schon gesehen.«
»Das ist mehr, als ich erwartet habe!« sagte ich
leise.
Ich sah mich einer Menschenmenge gegenüber, von denen die
wenigsten schreiben und lesen konnten. Sie waren nicht dumm: Sie
beherrschten alle Techniken, die ihnen von den Eltern oder den
Mönchen gelehrt worden waren. Aber sie waren - bewußt oder
unbewußt - in Unwissenheit gehalten worden. Alles, was nicht
faßbar und sichtbar war, erfüllte sie mit großem
Mißtrauen oder,
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