PR TB 092 Der Ritter Von Arkon
was beängstigender war, mit einem starken
Aberglauben. Verglichen mit meinen Kenntnissen, die von denen eines
Fachmannes jederzeit in den Schatten gestellt werden konnten,
befanden sie sich in der Steinzeit. Ich mußte also meine Worte
sehr sorgfältig wählen und einfache Beispiele wählen.
Ich wartete, bis der alte Mönch mir zunickte, dann rief ich:
»Freunde! Kommt näher heran, denn ich werde euch etwas
zeigen, das über euer Leben entscheidet! Näher. noch näher
heran. Die dort hinten müssen es auch sehen und hören
können!«
Sie drängten langsam näher, eine graue, schlecht
riechende Masse mit aufmerksamen und mißtrauischen Augen in
schmalen Gesichtern. Fast alle trugen sie Spuren alter Wunden und von
Mangelkrankheiten.
»In euren Herzen ist Furcht!« sagte ich.
Ich machte eine wirkungsvolle Pause.
»Furcht vor der Pest, Furcht vor Siechtum und Tod. Aber auch
die furchtbare Pest, von der ihr gehört habt, ist zu besiegen.
Ich werde euch zeigen, wie dies geschehen kann.«
Ich zog meinen Handschuh aus, schmierte mir etwas Lehm in die
Handfläche und hob die Hand. Dann deutete ich auf Gromell.
»Wenn ich ihm die Hand schüttle, Freunde, dann ist auch
seine Hand schmutzig geworden.«
Wir tauschten einen kräftigen Händedruck aus; und
Gromell hob seine Hand hoch. Erwartungsgemäß war auch
seine Handfläche schmutzig. Ich wischte den Schmutz ab und zog
den Handschuh wieder an.
»Diesen Schmutz habt ihr gesehen!« rief ich. »Aber
es gibt auch unsichtbaren Schmutz. Er wird ebenfalls von Mensch zu
Mensch weitergegeben, nicht nur durch Händedruck, sondern durch
jede Art von Berührung. Hier habe ich eine Ratte.«
Ich hob eine lebende Ratte hoch, die sich in meiner Hand drehte
und um sich biß, ohne mich verletzen zu können. Die
Nächststehenden erschraken und wichen zurück. Ich rief:
»Die Hausratten sind die Träger der unsichtbaren
Krankheit. Wenn sie verendet sind, verlassen ihre Flöhe sie!«
Ich setzte die Ratte in den Käfig zurück und hob eine
tote Ratte auf. Ich rief:
»Dies ist eine tote Ratte. Die Flöhe sind entweder auf
euer Vieh gesprungen oder haben euch gestochen. Wenn der Floh, der
euch biß, von einer toten Ratte kam, die krank war, dann habt
ihr die Pest in euch.«
Die Wirkung hätte nicht besser sein können.
Mehr als ein halbes Tausend Menschen erschraken, sprachen
aufgeregt miteinander, sahen verstohlen ihre Arme an und begannen zu
zittern.
»Das alles ist keine Zauberei!« rief ich in den
beginnenden Tumult hinein. »Ihr habt es bereits gehört:
Ich komme aus einem Land, das ihr nicht kennt und das auch die
meisten Ritter der Kreuzfahrer nicht kennengelernt haben, weil es
weiter weg gelegen ist als das Heilige Grab.
In meinem Land kannte man die Pest gut und fand heraus, wie man
sie besiegen kann. Weiter also - ihr seid jetzt von einem Pestfloh
gestochen worden. Zwischen zwei und zehn Tagen breitet sich nun die
Krankheit aus, ohne daß ihr viel spürt. Sie schleicht
unter der Haut umher, befällt die Organe, zerfrißt die
Leber, und plötzlich bricht die Haut auf. Geschwüre,
brandige und eiternde Wunden. ihr habt schon einige Menschen sterben
gesehen!«
Ich hob die große optische Linse hoch, unter der ein toter
Pestfloh lag.
»Hier ist ein Pestfloh; wenn ihr durch das Glas blickt wie
durch einen Wassertropfen, seht ihr ihn genau. Er ist daran schuld,
daß ihr krank seid. Was müssen wir also tun?«
Gromell rief:
»Alle Ratten erschlagen und verbrennen, und alle Häuser
reinigen, alle Ställe ausputzen. Die Flöhe müssen
getötet werden.«
»Richtig!« sagte ich. »Die Flöhe hassen die
Sauberkeit und das heiße Wasser!«
Einige Menschen näherten sich der Linse, sahen hindurch und
fuhren erschrocken wieder zurück. Dann setzte ein wahrer Ansturm
ein. Sie schauderten zugleich zurück, aber die Neugierde zeigte
ihnen ein totes
Ungeheuer, drastisch vergrößert und furchtbar
anzusehen. Ich ließ ihnen genügend Zeit und sah, daß
sich bereits einige Pestfälle im ersten Stadium unter den
Menschen befanden.
Als der erste an mir und meinem Tisch vorbeikam, sagte ich
beiläufig zu ihm:
»In zehn Tagen wirst du tot sein, und deine Familie hat sich
angesteckt an deiner Krankheit, Mann!«
Einige Umstehende hörten es natürlich, und das Gerücht
setzte sich flüsternd durch die Reihen fort. Wieder warteten
wir. Der Prior und Gromell unterhielten sich leise, und ich glaubte
zu hören, daß sie ziemlich genau verstanden hatten, was
ich meinte. Dann beschloß ich, das
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