PR TB 095 Die Spur Des Gehetzten
edelsteingeschmückten Knauf aus der Scheide und
drückte auf einen kleineren Stein. Dann nahm er vorsichtig die
Kappe vom Kopf des Falken und blickte hindurch, als er sie umgedreht
hatte. Sie war an zwei Stellen, dort, wo die kleinen Spiegel saßen,
durchsichtig. Angewidert warf der Fremde die Kappe weg. Die Pupillen
des Tieres hatten sich nicht verändert, als das Tageslicht in
sie gefallen war.
Mitten im Galopp fauchte die Waffe auf und brannte Federn und Haut
vom Flügel des Tieres. Cardenas fluchte unbeherrscht. Dann stieß
er dem Pferd die Sporen in die Weichen und zwang es einen steilen
Abhang hinunter. Dort schmetterte er den Vogel, der sich nicht
wehrte, weil er keinen Befehl bekam, zu Boden und feuerte drei
Schüsse auf ihn ab, hob den rauchenden Rest dann auf und
schleuderte ihn fluchend in das Wasser eines schmutzigen Baches.
Dann sprengte er zurück.
Er wußte jetzt, daß seine politischen Gegner
versuchten, ihn zu töten oder in den Tod zu treiben. Und dieser
Atlan, der ihm den Vogel geschenkt hatte, war einer der Agenten.
Er berichtete dem Profos, wer ihn verfolgt. . .
Er bat, diesen Mann und dessen Geliebte zu verhaften und im Kerker
verhungern zu lassen - es sei ein Dienst an Frankreich...
Er zeigte ein Schreiben vor, das ihn auswies ...
Er gab dem Profos einen Beutel spanischer Goldstücke; eine
beachtliche Summe, die den Mann fast aller Sorgen enthob...
Der Profos versprach, den falschen Spanier zu suchen und zu
finden.
Bei der Schilderung, was er mit ihm machen würde, rieb sich
der Profos die Hände und grinste. »Wie lange verweilt Ihr
hier, Herr Cardenas?« fragte er. »Drei oder vier Tage.
Vielleicht eine Woche, nicht länger«, sagte Cardenas.
»Habt Ihr ein Mädchen, dessen Gesellschaft angenehm ist?«
»Ihr werdet sehen, daß ich viele Möglichkeiten
habe«, schloß, der Profos.
Einen Teil dieser Dinge erfuhren die vielen Ohren und Augen des
gehäuteten Armagnac.
Einen großen Teil erfuhren sie nicht.
Unsichtbar undfast unhörbar begannen die Geschehnisse ihren
Verlauf zu nehmen.
*
Ich schob die nachgeahmte Waffe, in den Gürtel und dachte an
das Handfeuerrohr, das zusätzlich als Keule zu gebrauchen war, -
es lag fast fertig auf dem Tisch der Werkstatt. Dann ging ich aufs
Geradewohl dreihundert Schritte der Stadtmitte entgegen und traf
einen Jungen, der die Fenster eines Bürgerhauses beobachtete.
»Laufe zu Armagnac«, sagte ich leise, »und sage
ihm, der, dem er die neue Haut verdankt, möchte ihn sehen.
Bald.«
»Ja, Herr! Es soll geschehen!« flüsterte der
Knabe zurück und verschwand durch die ruhigen, stinkenden
Gassen.
Eine halbe Stunde später war Armagnac bei mir und setzte sich
an den Tisch, neben die Glut des kleinen Kaminfeuers.
»Freund«, sagte er leise, »was wollt Ihr
wissen?«
Ich sagte ihm genau, was er für mich herausfinden sollte. Er
schrieb sich verschiedene Dinge auf, und als ich ihn fragte; ob er
ehemals Student gewesen sei, bejahte er. Dann stand er auf, lächelte
Alexandra unverschämt an und flüsterte heiser:
»Ich werfe drei Steinchen an Eure Scheibe, noch heute
nacht.« Er verschwand so lautlos, wie er seinerzeit gekommen
war: Wir sahen uns überrascht an, dann lachte Alexandra kurz
auf. Wir hatten es in diesen wenigen Tagen geschafft, nicht ständig
unter dem Druck und dem Zwang zu leben, der mit unserem Vorhaben
zusammenhing. Im Augenblick allerdings überlegte ich, ob ich mit
Hilfe des Hundes versuchen sollte, den Fremden zu stellen. Der Falke
hatte versagt - keine Maske ist vollkommen. Und mein zweiter Falke
hatte im Gewirr der Gassen den Fremden aus den Augen verloren,
nachdem es dunkel geworden war. Ich kannte kein Verfahren, eine
einzelne Person durch Sicht im Infrarotbereich klar zu
identifizieren.
»Dieser Armagnac ... er und seine Bettler!« sagte
Alexandra. »Deine Freunde scheinen immer etwas merkwürdig
zu sein. Ich denke nur an den Priester, der dir diese unmoralische
Abschrift geschenkt hat.«
Daran dachte ich nicht, aber ich erwiderte:
»Die Maske eines Edelmannes mag mehr Luxus verschaffen, aber
ein Bettler und ein Dieb kommen weiter, wenn man Informationen
braucht. Warten wir, was Armagnac bringen wird:« Wir warteten
bis kurz nach Mitternacht. Dann klapperten drei kleine Kiesel an
unserem Fenster, an der kleinen Glasscheibe. Ich ging hinunter und
öffnete, den Hund an meiner Seite, die Waffe in der Hand. Es war
Armagnac, ich steckte die Waffe zurück. »Etwas erfahren?«
fragte ich begierig.
Er nickte und grinste
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