PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
brach über einem Tisch
mit Salbentiegeln und Duftfläschchen zusammen. Das Zeug kollerte
über den Boden.
»Tairi! Hierher!« rief ich.
Die Gruppe stob auseinander. Ich sah mich suchend um. Überall
im Haus wurde geplündert. Frauen und Mädchen wurden
hinausgetrieben; vermutlich hatten die Krieger eindeutige Absichten,
obwohl sich das kaum mit den Regeln der kuge vereinbaren ließ.
Tairi lief auf mich zu, ich schob den Helm in die Stirn und sagte,
etwas ruhiger geworden:
»Ich bin es, Ataya. Ich bringe dich hier heraus, Tairi. Nimm
mit, was du brauchen wirst!«
Hier in diesem Raum herrschte - noch! - Ruhe. Ich drehte mich
langsam, den schußbereiten Lähmstrahler in den Händen.
Tairi ließ sich helfen und schnürte ein Bündel.
Nemuro richtete sich auf, sein Gesicht war schneeweiß. Schweiß
strömte an den Schläfen und zwischen den Brauen herunter.
Er flüsterte mit gebrochener Stimme:
»Ich bin krank. Ich kann dieses Morden nicht mehr sehen! Ich
werde wahnsinnig!«
»Keine Sorge. In ein paar Minuten ist alles vorbei!«
erwiderte ich und fing einen Mantel auf, den mir eine ältere
Frau zuwarf. Ich hüllte Tairi in den schweren Stoff, hob die
Waffe und rief:
»Hinaus!«
Tairi hing halb an mir. Dicht neben mir stolperte Nemuro mit
schwachen Knien aus dem Zimmer. Als wir einen breiten Korridor
erreichten, der das Haus in zwei Teile schnitt, sahen wir
umherliegende Leichen und einen kleinen Hund, dessen Kehle
aufgeschlitzt war. Wir rannten nebeneinander durch den Korridor und
kamen auf die Terrasse. Neben mir traf ein Pfeil in den Türpfosten,
und ich schob den Samurai zur Seite.
»Dort drüben ist der Gleiter!« sagte ich deutlich
und wies zwischen die Bäume am Rand des Stallviertels.
Nemuro schwankte hin und her, und als ich ihn am Arm ergriff, sah
er mich verständnislos an. Tairi schwieg, aber ich fühlte,
wie sie zitterte. Wir rannten langsam los. Unsere Füße
hinterließen dunkle Spuren im Schnee. Nur noch an wenigen
Stellen wurde gekämpft, aber ich sah mich ständig um, warf
auch einen Blick über die Schulter, obwohl Nemuro und ich durch
die Kampfzeichen des Shogun ausgewiesen waren. Ich erkannte die
stumpfe Schnauze des Gleiters zwischen den Baumstämmen, die wie
schwarze Linien hinter einer milchigen Wand erschienen. Um uns
wirbelten Schneeflocken, und alle zwei Sekunden jagte ein Windstoß
zwischen den Häusern hindurch und jagte den Schnee zur Seite,
ließ ihn in Wirbeln tanzen. Ich ließ meinen Griff um
Tairis Schultern los, faßte sie um die Hüften und hob sie
an - sie war noch immer so leicht, wie ich sie in Erinnerung hatte.
Die ersten Baumstämme umgaben uns.
»Wir haben es geschafft!« sagte ich.
Ich ließ das Madchen und Nemuro los. Dann rannte ich die
letzten drei Meter vorwärts, schaltete mit der Fernsteuerung das
Schutzfeld des Gleiters aus und öffnete die Tür. Ich rannte
zurück, nahm das Mädchen auf die Arme und hob sie in den
Gleiter hinein. Ich sagte scharf und sehr streng, um sie durch
Einschüchterung von unüberlegten Handlungen abzuhalten:
»Bleibe hier sitzen und bewege dich nicht, sonst stirbst
du.«
»Ich gehorche, Verehrungswürdiger.«, flüsterte
sie erschrocken.
Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Nemuro davonrannte. In seiner
Panik suchte er sein Heil in der Flucht. Nur floh er in die falsche
Richtung. Sein Verstand und, vermutlich, noch mehr sein Gefühl
drohten, ihn in eine Krisis zu stürzen. Noch eine Krise!
Hole ihn zurück! befahl der Extrasinn.
Ich rannte los. Nach zwanzig Metern, außerhalb der Bäume,
holte ich ihn ein und riß ihn an der Schulter herum. Er starrte
mich an und schien mich nicht zu erkennen. Ich fühlte, wie mir
der kalte Schweiß ausbrach. Ich rief schneidend:
»Nectrion! Los, komme mit mir! Wir sind in einer Minute in
Sicherheit. Alles
ist vorbei!«
Er murmelte:
»Ich bin Samurai! Ich muß mich wehren! Ich muß
zurück zum Schiff! Ich darf nicht versagen!«
Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er sein Schwert
herausgerissen und führte einen Schlag gegen mich. Meine Reflexe
waren schnell genug; ich brachte mich mit einem gewaltigen Satz
rückwärts in Sicherheit. Ich rutschte auf dem
schneebedeckten Gras aus, wirbelte mit den Armen und fand das
Gleichgewicht wieder. Dann zog auch ich mein Schwert. Aus den
Augenwinkeln glaubte ich zu sehen, daß einige Samurais des
Shogun uns anstarrten - fünfzig und mehr Meter weit entfernt,
halb verdeckt von den treibenden Schneeflocken.
»Ich bin Ataya!« schrie ich verzweifelt.
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