PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
beendet worden.
Aber der Samurai, ein kleiner Mann mit hageren Gesichtszügen und
einer verstümmelten linken Hand blieb skeptisch. Ehe er wieder
zurückritt, sagte er:
»Der verehrungswürdige Shogun weiß, daß
sich Shokokuyij nicht ergeben wird. Er hat darum Truppen ausgehoben
und hierher geschickt. Sie werden die Burg belagern und den fetten
Mann fortbringen. Es ist der Wille des Herrschers, daß ihr den
Truppen helfen sollt. Ein Bote wird euch und eure Männer
abholen.«
Tawaraya schloß:
»Wir werden mit Freuden gehorchen, da das Recht auf unserer
Seite ist.«
Nach dem Besuch des Boten kehrte alles wieder zum normalen Leben
zurück. Die Bauern zerstreuten sich und nahmen ihr Vieh mit.
Einige Handwerker blieben und beseitigten die Schäden im Park
und an den Gebäuden. Die Pferde waren rasch wieder eingefangen,
und langsam glitt der Herbst in den Winter über.
Und eines Tages erschien der Bote des Shogun.
11.
Die grauen Berge
hinter dem Schneegeriesel:
sie sind wie stumme, fremde Göttern
Matsuo Basho
Der fahle Herbstmond stand am Himmel. Ein grauer Himmel, über
den tiefhängende Regenwolken trieben wie die Brandung des
Ozeans. Hin und wieder regnete es, und der Sturm, der unsere Pferde
vor sich hertrieb, jagte die Regentropfen fast waagrecht durch die
Luft. Herbstlaub fuhr vor uns in Wirbeln und breiten Streifen über
die Straße. Die Körper der fünfzehn Pferde und der
beiden Zugochsen dampften und waren dunkel vor Nässe. Ich ritt
neben Nemuro. Wir waren noch einen Tag von der Burg des dicken
Shokokuyij entfernt.
»Dreihundert Samurai hat der Shogun aufgeboten, sagte der
Bote«, meinte der Fremde und zog fröstelnd die Schultern
hoch.
Ich hob die Arme, und die Tropfen liefen an meinem Mantel ab,
sammelten sich und durchnäßten einen Stiefel. Der Wind
drückte den nassen Stoff gegen den Rücken und zerrte an dem
Hut aus lackierten Bambusfasern, der fast den halben Oberkörper
bedeckte. Ich sagte:
»Vermutlich hat er sparen wollen, denn wer führt schon
mitten im Winteranbruch einen Krieg gegen einen verbrecherischen
Daimyo?«
»Wir!« sagte Nemuro. »Es ist kalt. Ich friere.
Spätestens nach dem Winter
werde ich in meine Heimat zurückkehren.«
Ich spürte, wie mein Herz schneller und heftiger zu schlagen
begann. Die anderen Männer, Tawaraya eingeschlossen, ritten weit
hinter uns und konnten nicht hören, worüber wir sprachen.
Ich sagte:
»Warum bist du eigentlich auf die Inseln gekommen, Nemuro?«
»Ich habe lernen müssen. Viel lernen. Das, was ich
lernte, erstreckte sich auf viele, auf fast alle Bereiche des
Lebens.«
Er hatte mehrmals das Schiff angefunkt, und mehrere Sendungen
waren von dem Schiff abgegangen. Rico hatte es festgestellt. Ich
mußte versuchen, ohne ihn zu erschrecken oder zu einer
panischen Reaktion zu veranlassen, ihm näherzukommen. In der
letzten Zeit hatte ich zudem Anzeichen feststellen müssen, die
mich alarmierten. Nectrion, der Fremde von den Sternen, wurde
unsicher. Offensichtlich war er an der Grenze seiner
Aufnahmefähigkeit und Leistungsfähigkeit angelangt. Er war
sichtlich überfordert worden.
»Wozu hast du das alles gelernt? Das Bogenschießen,
Zen und den Schwertkampf, die Regeln des Samurai und vieles andere?«
Er ritt weiter und schwieg. Offensichtlich beschäftigten ihn
seine Probleme. Dann meinte er mürrisch:
»Ich muß das Wissen weitergeben. Die Menschen meines
Stammes haben all das verlernt, was ich hier suchte und fand.«
»Es geht um ihre Existenz?« fragte ich halblaut. Er
nickte, dann sah er mich überrascht an, zwinkerte mißtrauisch
mit den Lidern und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht.
»Ja. Es geht um ihr Weiterleben?« sagte er.
Wieder ließ ich eine Pause verstreichen. In der Ferne
konnten wir bereits, undeutlich hinter den Regenschleiern und den
treibenden Nebelfetzen, die große Burg des Shokokuyij erkennen.
Die Soldaten des Shogun hatten bereits ihr Lager dort aufgeschlagen.
»Sind auch andere Männer unterwegs, um in anderen
Kulturen zu lernen?« fragte ich und war bemüht, meiner
Stimme einen gleichgültigen, mäßig interessierten Ton
zu geben.
»Ja. Einige hundert Männer!« sagte er.
Schließlich wagte ich es. Ich ritt etwas näher an ihn
heran und fragte:
»Warum hast du meine Ahnenrolle geöffnet?«
Dies war ein Test; der Name »Arkon« war mehrmals
erwähnt, aber für jeden Einwohner der Insel würde er
nur ein Begriff ohne Bedeutung sein. Nicht so für einen
Raumfahrer aus einer fortgeschrittenen Kultur.
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