PR TB 108 Der Arkonide Und Der Sonnenkönig
Ichjedenfalls werdejeden Tag, den
mir diese Welt noch schenkt, genießen -so wie die Zeit hier in
Versailles und in Paris, der Stadt des Lichts.«
Plötzlich schien sie sich zu besinnen. Sie drehte den Kopf
und musterte zuerst Antoinette, dann Tairi und schließlich
mich. Sie schwieg lange und fragte schließlich:
»Und ihr, Atlan und Tairi?«
Ich hob die Schultern und schüttelte den Kopf.
»Auch wir werden irgendwann zu reisen beginnen«, sagte
Tairi an meiner Stelle. »So wie ich Atlan kenne, allerdings
erst dann, wenn er alles, was er weiß und was sie begreifen,
hier gelehrt und weitergegeben hat. Nicht eher.«
Antoinette nickte zustimmend, lachte leise auf und schloß:
»Das ist es wohl. Und von den Menschen in dieser Welt bin
ich die einzige, die ahnt, woher ihr wirklich kommt, ihr fünf
erstaunlichen ... Menschen. Und ich werde das Geheimnis mit ins Grab
nehmen.«
Verga ertrug die Stimmung nicht mehr und stand auf.
»Bleibt hier. Bleibt bitte sitzen«, sagte sie und
kämpfte gegen die Tränen an. »Dié wird mich
zum Wagen bringen. Nicolas wartet schon, und morgen früh werden
wir Versailles hinter uns gelassen haben. Richtung Süden.«
Der Abschied war sehr kurz und schnell. Keiner von uns erfuhrje,
was die beiden Frauen auf dem Weg vom Haustor bis zur Kutsche
gesprochen hatten. Jedenfalls kam Dié mit einem ernsten,
beherrschten Gesicht zurück und schwieg, bis sich diese kleine
Versammlung auflöste.
Zwei Figuren waren vom Schachbrett verschwunden ...
Vier blieben übrig, um ihren selbstgewählten Auftrag zu
erfüllen und um zu überleben. Möglichst
gut zu überleben.
Dié und Troy, Tairi und ich. Und, irgendwo, unerreichbar
für uns, Nyder, der hitzige Träumer.
Tatsächlich wurde mit dem Frieden von Utrecht, zu dessen
Feiern der große Georg Friedrich Händel 1713 in London das
Tedeum schrieb, der lange Krieg zwischen dem Reich König Ludwigs
des Vierzehnten und Holland beendet. Wir erfuhren es und freuten uns.
Aber wir hörten nie wieder etwas von Nyder oder von einem
Mann namens Diannot de Jara.
Übrigens, um es vorwegzunehmen: auch nichts von Verga oder
Beatrix de Vergaty. Auch nichts von einer Madame Nicolas de Perrault
...
13.
Die folgende Zeit war von viel Arbeit erfüllt.
Die vier Zurückgebliebenen leisteten mehr, als sie sich
vorgenommen hatten. Aber wir arbeiteten dergestalt, daß niemand
in der Zukunft unsere Spuren erkennen konnte. Alles geschah an der
Seite fähiger Männer und Frauen, deren Namen für die
Erfindungen standen.
Berkeley entwickelte nicht ohne meine Hilfe eine neue Theorie des
Sehens, die nichts anderes darstellte als einen Vorläufer einer
modernen Sinnesphysiologie. Ich legte einen Keim, der in späteren
Jahren eine Menge naturwissenschaftlich-medizinischer Erkenntnisse
bringen sollte ...
Johann Friedrich Böttger, ein verkrachter Alchimist,
arbeitete mit dem »Physiker« von Tschirnhaus zusammen.
Eines Tages erschien Troy bei ihm, veranstaltete eine Menge
erstaunlicher Experimente und entwickelte so nebenbei die Technik des
modernen Porzellans; August der Starke, der später Versailles
besuchte, gründete mit der Hilfe und der Unterstützung der
drei Männer die Meißener Porzellanmanufaktur. Gold hatte
er gesucht oder auf dem Umweg über den Stein der Weisen
herstellen wollen, und als Erfinder des Porzellans ging Böttger
in die Geschichte ein. Troy verschwand, als alle Widerstände
beseitigt waren, wieder von Böttgers Seite und wandte sich neuen
Erfindungen zu.
Tairi vollbrachte ein Meisterstück weiblicher Diplomatie.
Ohne daß sie etwas tat - alles löste sie durch
Gespräche, durch zielstrebiges Fragen und durch Hinweise, die
sie in Fragen und Diskussionen einfließen ließ -,
erreichte sie, daß Pourfour du Petit eine wissenschaftliche
Erkenntnis ersten Ranges publizieren konnte.
Du Petit fand heraus, daß die linke Hirnhälfte die
Bewegungen der rechten Körperhälfte steuerte -und natürlich
umgekehrt. Tairi wies ihm auch den möglichen Weg zur empirischen
Erforschung dieses erstaunlichen Effekts, und als er, überglücklich,
von seinen bislang mißtrauisch und abweisend reagierenden
Kollegen gefeiert wurde, zog sie sich leise und abwehrend zurück.
Trotzdem konnte nicht vermieden werden, daß der Name dieser
klugen Studentin bekannt wurde .
Längst arbeiteten andere Männer als Le Blon mit dem
Dreifarben-Kupferdruck, mit dem ich uns bei Hof eingeführt hatte
.
Die Charité im deutschen Berlin wurde gegründet
Wer hatte die ersten
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