PR TB 125 Prophet Der Sterne
hinweg und wurden um die eisernen Poller
belegt. Knarrend rieb sich die Bordwand an den Fendern. Die Matrosen
befestigten das Segel und blieben dann auf der Seite der Bordwand
stehen, die der gaffenden Menge zugekehrt war.
»Platz hier! Wir holen die Sklaven ab!«
Bis zum Tag des Anmietens blieben die Sklaven in einem der großen
Häuser am Hafen. Dann erst, vor einem sachkundigen und
kommentarfreudigen Publikum, entschieden sich die Sklaven endgültig
für ihre Herren oder Herrinnen. Das erlöste Geld, dessen
genauer Betrag nach einer höchst komplizierten Abstimmung
festgelegt wurde, gehörte ihnen. Auch hier schien noch ein
Relikt aus der Zeit wirklicher Sklavennahme übriggeblieben zu
sein. Der Kapitän des Schiffes brüllte Befehle, dann riß
die Garde, die im Laufschritt angerannt kam, in der Menge eine Gasse
auf. Nacheinander gingen die Sklavinnen und Sklaven über die
wippenden Planken, wurden angestarrt und gemustert, und schließlich
verschwand der letzte von ihnen in dem bewußten Haus. Reonard
fiel ein Mann auf, ein hagerer, scharfgesichtiger Geselle mit dem
Kopf eines Eulenvogels, der unruhig hinter den Wachen
umherstolzierte.
»Hauri?«
»Reonard? Was ist? Hast du Fragen?«
»Nur eine. Dieser Mann dort mit dem weißen Umhang und
dem Zeichen darauf, das ich nicht erkenne? Ist es Kyrde?«
»Du sagst es. Offensichtlich hat er in der Menge Atrushka
nicht gefunden. Wir gehen jetzt von Bord - du brauchst eine Wohnung,
nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Reonard wahrheitsgemäß.
Geld spielte keine Rolle. Im Bauch des Tieres, das unbeweglich im
Laderaum lag, waren genügend Münzen versteckt. »Und
zwar bald.«
»Das läßt sich einrichten. Komm, gehen wir von
Bord. Heute abend wird uns El Brochon sehen wollen.«
»Ich bin bereit.«
Fünf Minuten später führte Reonard sein Tier, das
er mit einem Schalterdruck wieder erweckt hatte, über die
Gangway. Er war sicher, daß der Umstand bald zum Stadtgespräch
werden würde: ein Reittier, ein Ashkan, das sechs Jahre lang wie
schlafend im feuchten und dunklen Laderaum gelegen hatte und jetzt
munter und mit spielenden Muskeln das Schiff verließ! Ein
halbes Wunder!
Als sie an Kyrde vorbeikamen, drängte sich der Mann an sie
heran.
Ein tiefer, bitterer Blick traf Reonard, der den Arm des Mädchens
und den Zügel des Tieres hielt.
»Herr?«
»Ich bin Reonard Xassio Yaglou!« sagte der Fremde
hochfahrend. »Was willst du?«
»Mein Name ist Kyrde. Ich bin der Teichner dieser Stadt. Auf
dem Schiff. ich meine. ich warte auf eine Sklavin Atrushka.«
Seine Augen gingen zwischen dem Gesicht Atrushkas und Reonards hin
und her. Es war sicher, daß er das Mädchen niemals
gesehen, viel aber von ihr gehört hatte. Eine unvernünftige
Heiterkeit wallte in Xassio auf, als er entgegnete:
»Kyrde, ich fürchte, du bist ein wenig zu spät
gekommen. Dies ist Atrushka. Wir haben uns entschlossen, ein Jahr
zusammenzubleiben. Für einen sündhaft hohen Preis,
nebenbei. Es tut mir leid.«
Kyrdes Gesicht wurde aschfahl.
»Ohne Markt? Ohne Anmietung? Du mußt wahnsinnig sein,
daß du das Gesetz brechen willst.«
Ein unbehagliches Schweigen entstand. Die zwei Männer maßen
sich mit Blicken wie rasende Kampfhähne. Hauri schob sich
zwischen sie und erklärte hastig: »Sie haben sich
getroffen, gesehen und geliebt, ehe Reonard erfuhr, daß sie
Sklavin ist, Herr Kyrde. Niemand kann etwas dagegen haben, auch du
nicht.«
Kyrde der Teichner starrte ihn an. Dann knurrte er:
»Du willst Wohnung nehmen in Torkman?«
»Ja«, sagte Reonard knapp.
»Ich werde dich bekämpfen, Fremder, wo immer ich kann.«
Reonard erwiderte kalt und mit schneidender Stimme:
»Das ist ungerecht und dumm und sicherlich deiner nicht
würdig, Teichner, aber ich nehme den Kampf an. Hüte dich!«
Er nickte freundlich, half Atrushka in den Sattel und führte
den Ashkan weg. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Hauri zu Kyrde eine
beschwichtigende Geste andeutete, die aber auch ein gewisses Maß
an Ratlosigkeit ausdrückte. Sie gingen weiter, bis zu einer
Schänke, die gerade öffnete. Hinter ihnen begann der
Schnellsegler seine Fracht auszuladen. Die eisernen Hebebäume
knirschten und rasselten, und die Dampfmaschine, die den Kran
antrieb, fauchte und spuckte eine Wolke rußigen Dampfes in den
kühlen, klaren Morgen.
»Wie mächtig ist er?« erkundigte sich Reonard. Er
hatte ein unbehagliches Gefühl, und er ahnte, daß von
diesem verbissenen Mann Unheil drohte.
»Er ist der Freund des blinden Malers!«
Weitere Kostenlose Bücher