PR TB 125 Prophet Der Sterne
sagte Hauri.
»Er liefert ihm die genauen Beschreibungen dessen, was er in
Farbe ausführt.«
Verdammt! Ausgerechnet. Ich hätte mir auch gleich El Brochon
als Feind heraussuchen können! dachte Reonard verzweifelt, aber
er
meinte:
»Ich brauche ein mittelgroßes Haus, oben in den
Hügeln. Ich muß die Sterne beobachten und möchte von
fern die Ruinen sehen.«
»Ich denke, das wird sich einrichten lassen.«
Sie tranken drei Gläser Wein bei einem dicken Wirt und
erfuhren die Adresse eines berufsmäßigen Maklers. Dann
tauchte sie in das Gedränge der erwachsenden Stadt ein.
Marktstände wurden aufgebaut. Fischweiber priesen mit schriller
Stimme ihre Ware an. Obst und Gemüse der stadtnahen Bauern wurde
feilgeboten. Wachen durchstreiften das Gedränge. Fenster wurden
aufgestoßen, Menschen eilten zur Arbeit, Dampfwagen mit
schwarzen Schloten fuhren fauchend über die breiten Straßen.
Tiere und Menschen bildeten breite Ströme, die sich durch die
Gassen wälzten. Alte Bäume warfen große Schatten,
Brunnen sprudelten, und langsam sickerte der Ausdruck der Stadt in
Reonards Bewußtsein ein. Langsam wurde die Wirklichkeit eins
mit der Theorie, die er im Laderaum des Schiffes ununterbrochen
studiert hatte. Er blickte sich um, erkannte Dinge und Bilder wieder,
entdeckte neue und fremdartige, sah Menschen und blieb schließlich
stehen, die Hand am Hals des Tieres.
»Hier muß es sein!«
Sie sahen sich um, aber da schoß bereits ein Mann hinter
einem großen Fenster hervor und redete wie ein Wasserfall auf
sie ein. Hauri und Reonard verkürzten die Suada und verlangten,
was sie haben wollten.
Als sich der Makler anbot, sie zu dem bewußten Haus zu
führen, verabschiedete sich Hauri.
»Ich bin heute, am späten Nachmittag, bei dir. Dieser
Mann wird alles beschaffen, was ihr braucht.
Bis bald!«
Er verschwand im Gedränge, das ihn nach wenigen Sekunden
unauffindbar verschluckt hatte.
Eine Stunde später standen sie auf der Terrasse eines kleinen
Hauses. Es befand sich an einem sanften Westhang. Man sah von der
Terrasse im Norden die Ruinen und das halb verschüttete
Riesenstandbild des Haluters, im Süden die Bucht, das offene
Meer, fast die gesamte Stadt. Im Norden lief auch eine breite, von
Bäumen gesäumte Straße vorbei. Stufen führten
zweihundert Meter abwärts und mündeten auf einen kleinen
Landesteg, an dem eine Barke schaukelte. Ein unwichtiger Nebenkanal
endete hier.
»Zufrieden, Herr?« fragte der Makler und rieb sich die
Hände.
»Ja. Aber ich brauche folgende Dinge. Bald, sehr bald! Sie
sollten eigentlich schon hier sein.«
Reonard begann aufzuzählen.
Vor etwas weniger als fünfzig Jahrtausenden hatte noch der
gewaltige Schrecken die Menschen, die Lemurer auf diesem Planeten in
seinem unbarmherzigen Griff gehalten. Der Schrecken war identisch mit
den riesigen, schwarzen Gestalten in ihren kombinationsähnlichen
Kampfuniformen und in ihren Kugelschiffen. Der Schrecken hatte einen
Namen: Halut. Und er hatte in den Hirnen der Geflüchteten
Gestalt angenommen. Nur dadurch, daß sie ihre Furcht deutlich
aussprachen oder in anderer Form artikulierten, konnten sie sich von
der Furcht befreien. So und nicht anders mußte es gewesen sein.
Reonard sah aufmerksam zu, wie die zweihundert Männer
arbeiteten. Goldene Münzen, von ihm geschickt verteilt, hatten
binnen weniger Tage ein kleines Wunder bewirkt. Alle Nichtstuer und
Gelegenheitsarbeiter Nain Torkmans gruben und schaufelten wie
besessen, um das Standbild freizulegen. Die Gespanne fuhren Sand und
Steine und ausgegrabenes dürres Gebüsch davon und türmten
unweit der Grabungsstelle einen neuen Hügel auf.
»Es geht schneller, als ich dachte!« sagte er zu
Atrushka. Sie stand neben ihm und sah zu, wie die schwarzen,
glänzenden Schultern des Standbildes freigelegt wurden.
»Geld kann Wunder wirken. Auch negative Wunder!« sagte
sie. »Das solltest du nicht vergessen. Jedenfalls glaubt dies
El Brochon.«
»Ich hoffte es!« sagte er.
Binnen zwanzig Tagen würden sie die Statue ganz freigelegt
haben. Dann würde auch die Kugel, ein Raumschiff symbolisierend,
an das Sonnenlicht kommen. Die Statue war unversehrt; jene alten
Lemurer hatten sie mit einer Schicht aus glasartigem Material
versehen, das sämtliche Erosion und Zerstörungen
verhinderte. Schon jetzt konnte man erkennen, daß die Statue
höher war als vierzig Meter.
»Dieser Brochon. ein merkwürdiger, irrlichternder
Mann!« stellte er fest. Sie hatten sich ihm vorstellen lassen.
Neunzig
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