PR TB 144 Die Seelenlosen
hätte gestoppt und untersucht werden müssen -
was in jedem Fall mit ihrer Vernichtung geendet hätte.
Zweihundert Positroniken, die (wenn auch für andere
unsichtbar) Smookers Brandzeichen trugen, wären in den Konverter
gewandert und niemals ausgeliefert worden.
Der Besteller, RUDIM Inc. auf Cartico, hätte niemals etwas
davon erfahren, denn man hätte ihm einen entsprechenden Ersatz
geschickt. Auf Cartico gab es dreißig riesige
Zuckerrohrplantagen und nur viertausend Kolonisten, die zur
Bewältigung der planetenumspannenden Ernte zweihundert
Positroniken benötigten.
Smooker war froh, daß er für die Endkontrolle allein
zuständig war, diesem Umstand hatte er es zu verdanken, daß
keiner seiner Mitarbeiter von der Endmontage etwas bemerkt hatte.
Auch Smooker hätte seine Entdeckung niemals machen können,
wenn die Positronik nicht auf die Idee gekommen wäre, sich ihm
zu offenbaren. Vor zwei Tagen hatte sie ihm nach der Mittagspause
eine Zigarette angezündet. Die Schachtel auf Smookers Tisch
hatte sich geöffnet, eine Zigarette war herausgeglitten und zu
Smookers Mund hinaufgeschwebt. Kleine Rauchwolken waren aus ihrer
Spitze hervorgekommen.
Drei Stunden später war als endgültiger Beweis auf der
Quarzscheibe des elektronischen Digitalschreibers der Satz
erschienen:
****** SMOOKER RETTE MICH ******
Jemand — nein — irgend etwas hatte den
Digitalschreiber psychokinetisch beeinflußt.
Smooker hatte auf diesen unglaublichen Appell bisher nicht
reagiert. Er war aber sicher, daß sich die Positronik stellen
würde, wenn er darauf einging.
Doch das erschien ihm zu gefährlich, denn es fehlten ihm
nahezu alle Informationen. Er war Positronikingenieur und kein
Kybernetiker.
Natürlich wußte Smooker trotz all seiner Atemlosigkeit,
daß er die leidenschaftlich geführten Diskussionen um
maschinelles Bewußtsein um einen entscheidenden Beitrag
bereichern konnte.
Eine psychokinetische Positronik barg aber die Gefahr in sich, daß
die Kybernetik in den Bereich der unüberschaubaren
Wissenschaften rückte und die nie erloschene Furcht der
Menschheit vor dem Homunkulus unkontrolliert ausbrach.
Smooker saß vor der wissenschaftlichen Sensation des
Jahrhunderts, aber er empfand sie als tickende Zeitbombe.
Zwei Nächte hatte er fast überhaupt nicht geschlafen,
sein Gesicht war grau und eingefallen - er war verzweifelt!
Smooker war ein mittelgroßer Mann von knochiger Hagerkeit.
Vor sechzehn Jahren hatte er einen Ehevertrag mit Celta Varmlont
geschlossen und zwei Kinder, Mädchen, adoptiert. Smooker war
dreiundsechzig Jahre alt, sein kantiges Gesicht mit den hellgrauen
Augen verriet durch nichts, daß er grüblerisch veranlagt
war.
Seine eigene Kosmogenese hätte ein Schlaglicht auf seine
Einstellung geworfen, wenn er nur gewagt hätte, sie irgendwo zu
äußern. Für Smooker war alles Sein ein illusionärer
Augenblick -Maya, wie die Philosophen der alten Kulturen es genannt
hatten.
Vielleicht, grübelte er, konnte eine psychokinetische
Positronik nur existieren, weil er, Ray Smooker, an die Möglichkeit
ihrer Existenz zu glauben bereit war.
Das machte die Beziehung zwischen Smooker und der Positronik (und
es war von Anfang an eine Beziehung gewesen) dramatisch.
An diesem Abend verließ Smooker den Kontrollraum nur
widerstrebend. Es gab keine plausible Erklärung für ein
längeres Verweilen. Smooker wollte außerdem nichts
Auffälliges tun. Er hatte noch zwei Tage Zeit.
Lächerlich! dachte er.
Die Entscheidung war längst gefallen.
Er schaltete die Antigravitationsstraße ab und verließ
das Labor.
•
Der Vorteil einer robotisch verwalteten Bibliothek lag darin, daß
niemand Fragen stellte, wenn ein eingetragenes Mitglied besonders
viele Bücher einer Fachrichtung bestellte.
Als Smooker an diesem Abend in seinem Haus eintraf, lagen die
gestern angeforderten Bücher auf
seinem Schreibtisch. Celta hatte sich vor drei Monaten einer
Hausgemeinschaft in der Parallelstraße angeschlossen und kam
nur noch selten zu ihm. Smooker hatte noch nie übertriebene
sexuelle Bedürfnisse entwickelt, aber das war sicher nicht der
Grund für die fast völlig vollzogene Trennung zwischen
Celta und ihm. Ihre Kommunikationsmöglichkeiten waren einfach
erschöpft, sie brachten einander weder Liebe noch Antipathie
entgegen.
Die Mädchen lagen seit zwei Tagen im Tiefschlaf, um den
Erfolg der Dolmetscher-Pillen nicht zu gefährden. Smooker hatte
sechs Fremdsprachen nach der alten Methode erlernt, ihm erschien
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