PR TB 144 Die Seelenlosen
Simon aus
den Augen, aber da ich die Richtung kannte, konnte mir nichts
passieren.
Dann erreichte ich den Wall. Ich sah ihn durch das Wasser über
mir, eine leuchtende Wand, die sich scheinbar bis in die
Unendlichkeit erstreckte.
Ich hörte mit den Schwimmbewegungen auf, völlig in den
Anblick des Walls vertieft. Die Strömung trug mich weiter - auf
die andere Seite.
*
Schon bevor ich auftauchte, wußte ich, daß es hier
keine Leere gab, denn da war der Fluß, und da war Licht, das
sich an der Wasseroberfläche brach. Ich glitt höher,
tauchte aus dem Wasser.
Das Land, das ich erblickte, unterschied sich kaum von jenem, aus
dem ich gerade kam. Als ich mich umdrehte, sah ich den Wall.
Dahinter, so wurde mir schlagartig klar, lag Valjuhn, lebten die
Familien und stand der rätselhafte Kessel.
An einer Stelle war die Uferböschung besonders flach, so daß
ich weit in das Land hineinblicken konnte. Es war ein hügeliges,
grasbewachsenes Land, ohne die Gebäude, die es in Valjuhn gab.
Als ich aus dem Fluß watete, entdeckte ich Simon.
Er trieb ein paar Schritte vor mir im Wasser und rührte sich
nicht. Verwirrt überlegte ich, was der Grund für seine
körperliche Starre sein mochte. Rvomers Worte schossen mir durch
den Kopf:
„ ... er ist nicht natürlich ..."
„Simon!" rief ich. In dieser Stille erschien mir die
eigene Stimme übermäßig laut. Als er nicht reagierte,
ging ich zurück in den Fluß, schwamm zu Simon und berührte
ihn. Er regte sich nicht. Ich packte ihn an den Schultern und zog ihn
zum Ufer. Auch jetzt gab er keine Lebenszeichen von sich.
Er konnte doch nicht einfach aufhören zu existieren!
Sollte Rvomer recht behalten?
Ich mußte mich davon überzeugen!
Mit fahrigen Bewegungen riß ich Simons Kleidung auf. Die
Haut war merkwürdig hell, es gab auch keine Anzeichen für
eine Brustplatte. Ich begann zu zittern.
Die Tatsache, daß Simon auch jetzt nicht reagierte, schien
Rvomers Verdacht, Simon könnte ein
Ding sein, zu erhärten. Ich faßte allen Mut zusammen
und riß seine Brust gewaltsam auf. Simons Körper war mit
breiigen Dingen und einer roten Flüssigkeit gefüllt.
Rvomer hatte recht.
Simon war nicht natürlich!
Ich richtete mich langsam auf und ...
„Warum hast du sie abgeschaltet?" schrie Jonathan mit
sich überschlagender Stimme. Schweiß stand auf seiner
Stirn.
„Nicht nur abgeschaltet", erwiderte Creerdark mit
mühsamer Beherrschung. „Ich habe alles gelöscht, was
mit diesem Denkmodell zusammenhing. Hast du nicht bemerkt, wohin es
führte? Zu einer Umkehrung unserer Vorstellungen!"
Die beiden Kybernetiker sahen sich an. Sie saßen vor der
großen Whistler-Positronik, mit deren Hilfe sie Denkmodelle
über autarke Robotzivilisationen entwickelt hatten.
„Wir werden nun nie erfahren, wie Baile Canthor weiter
gehandelt hätte", sagte Jonathan schließlich. Sein
breites Gesicht zeigte deutliche Spuren der inneren Erregung.
„Es gibt keinen Baile Canthor!" erinnerte Creerdark
betont. „Es hat niemals einen Baile Canthor gegeben. Er
existierte nur in dieser Positronik, als Teil eines Denkmodells."
Jonathan ließ sich im Sessel zurückfallen.
„Es war nahezu perfekt", sagte er entsetzt. „Die
Positronik hätte diese Geschichte immer weiter entwickelt.
Vielleicht war dieser Baile Canthor mehr als eine positronische
Projektion, vielleicht hat er von seinem Standpunkt aus tatsächlich
gelebt."
„Unsinn!" stieß Creerdark hervor.
„Du hast die Konsequenzen befürchtet", stellte
Jonathan fest, und noch immer schwang Entsetzen in seiner Stimme mit.
„Wir hätten die Lebensfähigkeit positronischer
Projektionen nachweisen können. Aber davor hattest du Angst!"
„Ja", gestand Creerdark. „Denn dieser Beweis
hätte die Erkenntnis bringen müssen, daß auch wir
Bewußtseinsprojektionen sind. Willst du, daß man die
Anlage abschaltet, aus der wir entstanden sind?"
Ein Mann für alle Gelegenheiten
Das Schiff landete auf einem Polster von Antigravitationsfeldern
und stand nun auf seinen vier Landetellern am Eingang des großen
Tales: ein fünfunddreißig Meter durchmessender Diskus, der
von einer transparenten Kuppel gekrönt wurde. Diese Kuppel
deckte den zentralen Steuerraum ab, in dem sich Superagent Pattis und
seine beiden Sachverständigen aufhielten. Pattis, Reccioni und
Huiskoiffer waren von ihren Plätzen aufgestanden und blickten zu
Kathys Burg hinüber, die auf der anderen Seite des Tales lag.
Pattis überlegte, daß dies die weiteste Reise war, die
er in
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