PR TB 149 Die Grosse Flut
war eine Form der Selbstverwirklichung. Ich wusste, wovon ich
sprach.
Auch für dich wird der Zeitpunkt wieder kommen, an dem du
deinen Einfluss auf Larsaf Drei deutlich machen kannst, wisperte das
Extrahirn.
„Wusstest du, dass auch Kharg und Imohag in diesem Land
leben?“fragte ich zum Schluss. Alyeshka fuhr hoch und blickte
mich entsetzt an. Eben tauchte Nisobar im Eingang auf; seine Hände
fuhren zu den langen Dolchen im Gürtel. Alyeshka winkte ihm.
„Ist das wahr?“fragte sie leise. Ihr Gesicht zeigte
eine besondere Art von Schrecken.
„Ja. Kharg versucht dasselbe wie du. Die Gemeinschaft ist im
Südwesten, am Buranun. Die winzige Siedlung trägt den Namen
Mari. Imohag gründete Susa am Rand des Gebirges im Südosten.
Wir leben in einem Land ohne Kommunikation.“
Nach einer Weile sagte sie:
„Das muss ich erst noch gründlich bedenken. Wie lange
sind sie dort?“
„Das weiß ich nicht“, erklärte ich
wahrheitsgemäß und deutete auf Nisobar, der mich finster
musterte.
„Dieser Mann sieht aus, als könne er mir helfen. Er
kennt die Landschaft rund um Ninive?“ Nisobar senkte verwundert
seinen kantigen Schädel und knurrte: „Ich habe sie
durchwandert von Nord nach Süd, von der Wüste bis zu den
Bergen.“
Er ließ ein raues Lachen ertönen.
„Willst du das herausfinden, Mann, den sie „Jäger
Atlan“ nennen?“
„Nicht im Kampf gegen dich. Aber vor uns stehen große
Gefahren. Wenn wir Ninive, Susa und Mari retten wollen, müssen
wir diese Gefahren auf uns nehmen. Und du wirst an meiner Seite viele
wunderbare Dinge erleben. Deswegen brauche ich einen Mann, der sich
vor niemandem und vor nichts fürchtet.“
Er starrte mich an, als wolle er mich mit seinen dunklen Augen an
die Wand nageln.
„Du hast diesen Mann gefunden.“
Alyeshka hob die Hand und fügte leise hinzu:
„Und er ist der treueste Krieger, den ich jemals kennen
gelernt habe.“
Ohne Spott meinte ich:
„Wenn er diese Treue auch mir gegenüber hat, dann
werden wir Freunde werden.“
„Ich kann niemandem treu sein, den ich nicht kenne!“sagte
Nisobar gepresst. Er wusste noch nicht, was er von allem zu halten
hatte.
„Ich versichere es dir“, erklärte ich langsam und
nachdrücklich, „dass du spätestens nach einem
Mondwechsel mich so genau kennen wirst, als wären wir Brüder
oder gar Zwillinge.“
„Mag sein.“
Ich schlug mein Quartier an einem idyllischen Platz auf. Ein
kleines Häuschen aus Lehmziegeln, mit Vorhängen aus
Holzperlen vor den Türen und solchen aus Leinengewebe vor den
kleinen Fenstern. Ich ließ den größten Tisch mit der
glattesten Platte hereinschaffen, den es in Ninive gab. Stühle,
Bänke und meine gesamte Ausrüstung vervollständigten
das Bild. Den Boden ließ ich mit einer Schicht aus
zusammengenähten Schaffellen belegen. Ein kleiner
Lehmziegelherd, ein großes, gemauertes Bett, Krüge aus
einfarbiger, schön bemalter Keramik, Wandbretter aus Holz, auf
denen Leinöllampen standen. Ich packte meine medizinische
Ausrüstung auf einen kleineren Tisch und sah mich zufrieden um,
als die Mädchen den Raum gereinigt hatten. Hier würde für
lange Monate mein Heim sein. Klappernd bewegten sich die Holzperlen
des Vorhangs; Alyeshka kam durch den Eingang aus dem winzigen Garten,
der vom Zirpen der Zikaden und dem Summen der Bienen erfüllt
war.
„Gefällt dir, was ich zu bieten habe?“fragte sie,
streckte die Hand aus und berührte das viereckige Amulett auf
meiner Brust. Es sah aus wie ein Block aus Diorit am Lederband. Mein
Zellaktivator war darin eingegossen. „Noch immer trägst du
ein Amulett? Aber damals sah es anders aus.“
„In meinem Aberglauben“, erklärte ich scherzend,
„bevorzuge ich die Abwechslung.“
Kühle Planung für einen langen Zeitraum war jetzt
wichtig. Ninive lag von allen entstehenden Siedlungen im Land der
beiden mächtigen Ströme wohl am weitesten von Ur entfernt.
Der Zug der Krieger würde hier vermutlich zuletzt eintreffen,
aber der kritische Punkt war nicht so sehr der Widerstand, den Susa,
Mari oder Ninive zu bieten vermochten, sondern die Zeitdauer des
erwarteten Kriegsgangs. Sie würden einige Monde brauchen, um von
Ur bis nach Ninive zu kommen. Ich öffnete einen langen,
schlanken Zylinder und rollte einen Quadratmeter Zeichenfolie aus.
Mit vier kleinen Standfigürchen aus Ton und Jadeit beschwerte
ich die Enden.
Alyeshka deutete auf den großen Tisch und fragte verblüfft:
„Was hast du vor, Atlan?“
Ich schüttete die Farbstifte auf
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