PR TB 214 Kosmischer Grenzfall
und machte ihm Vorwürfe, warum er
denn trotz des Flugverbotes ein Beiboot benützt habe, während
Lamarone zwischen ihnen zu vermitteln versuchte.
Aber die Lage beruhigte sich erst ein wenig, als der Inachaer in
die Debatte eingriff.
“Es ist wahr", bestätigte das Pfauenauge und
fächelte dabei elegant mit seinen Mantelflügeln, “daß
der Anblick eines fliegenden Objekts den Wandertrieb bei unseren
jüngeren Artgenossen auslöste. Bei den Vespaern und
Gryllaern ist das noch eine Art bedingter Reflex. Fliegen ist für
sie gleichbedeutend mit Wandern, sie können ihren angeborenen
Zugvogeltrieb noch nicht regulieren und beherrschen. Das hat uns
schon oft zu überstürzten Aufbruch veranlaßt. Aber -
und das muß gesagt werden - wir hatten längst schon alle
Vorbereitungen für den Aufbruch getroffen. Es war eine
beschlossene Sache, und es bedurfte nur noch eines auslösenden
Moments. Dafür hat Walty Klackton gesorgt. Aber es ist auch eine
Tatsache, daß sein Auftauchen uns noch zum Warten veranlaßte.
Wäre er,
dessen Mentalität der unseren so ähnlich ist, nicht
gekommen, wir wären längst schon in anderen Räumen."
“Bist du das Oberhaupt der Grenzer?" erkundigte sich
Walty. “Kannst du im Namen deines Volkes Entscheidungen
treffen? Wenn es so ist, dann möchte ich mit dir über die
Bodenschätze dieser Welt verhandeln. Du darfst nicht erlauben,
daß den Menschen der Zutritt zu dieser Welt verwehrt wird.
Selbst wenn ihr bleibt -und erst recht nicht, wenn ihr fortgeht."
“Unsere Abreise ist eine beschlossene Sache",
antwortete der Inachaer. “Aber es bleibt jedem Menschen
überlassen, den Schlüssel zu unserem Asyl zu finden und
dort die Erfüllung zu finden."
“Du weißt so gut wie ich, daß die Menschen nicht
dazu geschaffen sind, eure Prüfungen zu bestehen",
erwiderte Walty. “Lamarone muß von euch freigegeben
werden."
“Lamarone ist frei, fürjedes denkende Wesen zugänglich
..."
“Das ist doch nur eine Farce", rief Walty erregt. “Wer
bist du denn eigentlich, daß du gottgleiche Entscheidungen auf
einer Welt triffst, auf der du nur Gast bist?"
“Ich bin Omani."
Für einen Moment herrschte verblüfftes Schweigen. Wir
alle konnten uns nicht vorstellen, daß dieser Inachaer mit
jenem Grenzer identisch war, den wir als Lucanaer kennengelernt
hatten und der für kurze Zeit in der Gestalt eines Skolopaers
aufgetreten war - und der uns nun als Vertreter der sechsten
GrenzerArt gegenüberstand. Wenn alle Grenzer einem so raschen
Verwandlungsrhythmus unterworfen waren und in jeder Phase nur so
kurzlebig wie Eintagsfliegen waren, dann entsprach ihre
Lebenserwartung trotz der relativen Unsterblichkeit auch nur
höchstens der von uns Menschen. Ein Leben pro Tag -
hunderttausend in einem Menschenalter, das war viel und wenig
zugleich.
“So rasch geht das?" wunderte sich Walty. “Demnach
wäre eure Holometabolie ja geradezu eine galoppierende."
“Ich habe den Vorgang beschleunigt, um euch ein Beispiel zu
geben", sagte Omani. “In Wirklichkeit ist es ein viel
langsamerer Prozeß, und einer unserer Lebenszyklen entspricht
ungefähr dem einer Menschengeneration."
“Jetzt ist es aber genug mit dem Versteckspielen!" rief
Walty aufgebracht, und damit verblüffte er uns alle - außer
vielleicht Omani. “Jetzt laß die Maske endlich fallen,
Otto! Oder bist du zu feige, um dich in deiner wirklichen Gestalt von
mir zu verabschieden?"
“Wie hast du mich durchschaut, Walty?" fragte der
Inachaer und verwandelte sich vor unseren Augen in das niedliche
Pelzwesen, den Twilzer Otto, so daß ich erst jetzt einen
genauen Begriff davon bekam, was “Twilzen" war. “Was
habe ich falsch gemacht?"
“Omani - klingt das nicht stark nach Ottomane?" sagte
Walty. “Aber das allein war es nicht. Ich kenne dich eben zu
gut, ich würde dich in jeder Gestalt sofort wiedererkennen, oder
zumindest nach einiger Zeit. Und weil ich dich so gut kenne, war mir
bald klar, daß du dich zu den Grenzern hingezogen fühlen
mußtest. Sie sind dir sehr ähnlich, Otto."
“Sie sind Un-Twilzer wie ich", gestand das Pelzwesen
ein. “Als ich damals von meinem Volk ausgestoßen wurde,
da hat es mich zu dir und den Menschen hingezogen, weil ihr die beste
Alternative wart. Aber als ich die Grenzer kennenlernte ..."
“Ich verstehe", sagte Walty. “Aber daß du
dich klammheimlich davonmachen wolltest, ohne mir Lebewohl zu sagen,
das verzeihe ich dir nicht. Das tut weh, Otto. Aber was soll's - ich
wünsche dir viel Glück auf deinen
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