PR TB 219 Bote Des Unsterblichen
muß sterben!“
„Womöglich von deiner Hand?“ spottete Tanathu.
„Du kannst nicht einmal den Arm heben. Rede nicht von Rache, du
junger Fant, sonst verwischst du den guten Eindruck wieder, den du
vorhin auf mich machtest, als du mir im Halbbewußtsein deinen
Traum verrietest. Nahrung für jedermann. Niemand soll mehr
Hunger leiden. Erinnerst du dich daran?“
Ragnasuth machte die Geste der Zustimmung; aber sein Gesicht blieb
bitter. Vavajna begann sich zu rühren. Ragnasuth kam mühsam
auf Hände und Knie und kroch zu ihr hinüber. Er war
zärtlich um sie bemüht, half ihr, sich aufzurichten, und
reichte ihr den Becher, den Tanathu ihm gab. Aber die ganze Zeit über
wich der Ausdruck bitterer Entschlossenheit nicht aus seiner Miene.
Schließlich waren beide kräftig genug, um sich, mit dem
Rücken an die Felswand gelehnt, aufrecht zu halten. Tanathu
schob den Becher wieder in die Tasche und sah zu ihnen auf. „Was
habt ihr vor?“ fragte er.
„Rache an Ferlimor!“ zischte Ragnasuth, feurige Glut
in den Augen.
„Narr“, sagte Tanathu verächtlich. „Ferlimor
ist ein Barbar; aber selbst mit Barbaren muß man verhandeln.
Die Wahren Zaphooren haben Dinge, die die Unnahbaren brauchen. Warum
schließt ihr nicht einen Vertrag? In der Zwischenzeit könnt
ihr mit anderen Bruderschaften in Kontakt treten und ein Bündnis
gegen Ferlimor bilden. Wenn er sich zuviel Widersachern
gegenübersieht, wird er...“
„Niemand verhandelt mit Ferlimor!“ keuchte Ragnasuth.
Vavajna sah ihn an. In ihren Augen lag ein bittender Blick.
„Hör auf Tanathu“, sagte sie. „Schon einmal
hast du seinen Rat verworfen, und sieh, was daraus geworden ist.“
Ragnasuth stampfte mit dem Fuß auf.
„Ferlimor hat den Tod verdient!“ stieß er
hervor. „Ich bringe ihn mit eigener Hand um, noch in dieser
Nacht!“
Tanathu stand auf und schlang sich die Tasche über die
Schulter.
„Du bist dümmer, als ich dachte“, sagte er müde,
und seine Augen suchten Ragnasuths Blick. „Ferlimor wartet auf
dich. Er weiß, daß du ihm durch die Lappen gegangen bist.
Sein Erfolg ist nicht vollständig, solange er dich und die junge
Frau nicht hat. Um dich tut es mir kaum noch leid. Aber um sie...“
Er schwieg und machte sich auf den Weg. Schon nach wenigen
Schritten war er verschwunden.
„Wer geht da?“ rief der Posten, der in der düsterer.
Halle vor dem großen Tor der Stoffgründe stand.
„Kennst du deinen eigenen Genossen nicht?“ kam die
mürrische Antwort aus dem Halbdunkel.
Der Posten erinnerte sich seiner Pflicht. Die Stimme kam ihm zwar
halbwegs vertraut vor, aber sie sprach mit einem dicken Akzent, und
im übrigen war für den, der Wache stand, die Halle nicht
der richtige Ort, um sich mit Freunden oder Genossen zu treffen.
„In ein paar Augenblicken werde ich dich nicht mehr zu
kennen brauchen“, knurrte der Wächter. „Dann bist du
nämlich tot.“
„Also gut, ich komme schon“, brummte der angebliche
Genösse.
Aus dem Halbdunkel schälte sich eine hochgewachsene Gestalt,
die die Kleidung der Unnahbaren trug. Der Posten war sofort
mißtrauisch; denn der Unbekannte war weder verwachsen, noch
hatte er einen schiefen Gang wie fast alle Untertanen Ferlimors.
Außerdem war er fast so groß wie der Anführer
selbst, und der Posten erinnerte sich nicht, einen Mann wie diesen zu
seinen Genossen zu zählen.
„Bleib stehen, oder ich...“
Das Wort blieb ihm im Hals stecken. Aus dem Nichts war plötzlich
ein Kranz bunter Funken erschienen, der auf ihn zuglitt und dabei
schrumpfte, bis er so nahe und so klein geworden war, daß die
Blicke aus den drei Augen des Unnahbaren einander kreuzten, bis er
fast das Gleichgewicht verlor.
„Du stehst unter meinem Einfluß“, sagte der
Fremde, vor dem der Posten auf einmal eine Art Ehrfurcht empfand.
„Ich habe nichts Böses vor. Ich will mir die Stoffgründe
ansehen, jedoch plane ich nicht, den Unnahbaren von ihren wertvollen
Vorräten zu rauben. Öffne das Tor. Ich komme bald wieder
zum Vorschein. Und wenn sich inzwischen jemand nach dem Stand der
Dinge erkundigt, dann sag ihm, es sei alles in Ordnung.“
„Ja, mein Freund“, antwortete der Posten mechanisch.
Er wandte sich um und betätigte den verborgenen
Öffnungsmechanismus des Portals. Die beiden Torflügel
glitten beiseite, und durch die Öffnung drang ein
unbeschreiblicher Dunst von Fleischextrakt, Syrup und ähnlichen
nahrhaften Dingen. Der hochgewachsene Fremde zögerte
unwillkürlich; aber dann faßte er sich
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