PR TB 236 Die Stadt Der Zukunft
Gewächsen: den klatschhaften
Flüsterrosen aus der Kleinen Magellanschen Wolke; dem Laufenden
Moos, das im Korridor hin und her trottete; der akonischen
Zuckerstaude, aus deren geöffneten Poren ein bräunlicher
Saft tropfte, süßer als Honig und klebriger als Leim, eine
Todesfalle für jedes Insekt; und den vielen anderen bunten,
großen und kleinen Blumen, Pflanzen und Zimmerbäumen aus
allen Winkeln der Milchstraße.
Ulga liebte die Pflanzen, und die Pflanzen liebten sie. Nicht ohne
Grund gehörte sie dem Solaren Aktionskreis zur Förderung
des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Pflanze und der
Initiative Grüner Wohnen an.
Der mutierte Gummibaum an ihrer Seite wackelte heftiger, um ihre
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Für einen sonderbaren Moment
hatte Ulga das Gefühl, daß die beiden knollenähnlichen,
schwarzen Verdickungen am oberen Teil seines Stammes Augen waren.
Augen, die sie zärtlich ansahen.
Mashmir Gulf grunzte, und Ulga drehte den Kopf.
Das Laufende Moos, ein honigfarbenes, kissenförmiges Gewächs
auf
Dutzenden kurzer Wurzelstränge, schoß an den Schönen
Händen vorbei ins Wohnzimmer, umrundete mehrmals Mashmirs
Schwebsessel und verschwand dann hinter dem Terminal.
»Gott steh mir bei«, knirschte Gulf, »aber was
zuviel ist, ist zuviel. Es macht mich ganz krank, wenn ich sehe, wie
dieses verrückte Unkraut durch unsere Wohnung rast. Muß
das sein? Kannst du dir nicht wie jeder normale Mensch eine Geranie
auf der Fensterbank halten? Außerdem vermisse ich mein
Armbandchronometer.« Gulf warf den Schönen Händen
einen mißtrauischen Blick zu. »Es sollte mich nicht
wundern, wenn dieses arkonidische Ungeheuer dabei seine Finger im
Spiel hat.«
Die Blätter der Schönen Hände ballten sich
zusammen. Sie sahen jetzt wie Fäuste aus.
Gulf ächzte erstickt.
»Hast du das gesehen?« zeterte er. »Dieser
mißratene Grünkohl droht mir! Es ist unglaublich. Nicht
einmal in seinen eigenen vier Wänden ist man mehr sicher. Und
was tut die Regierung dagegen? Nichts. Hier steht es.« Er
schwenkte den Telefax-Bogen. »Rhodan fliegt wieder einmal in
der Galaxis herum und wird in der nächsten Woche einen
Staatsbesuch bei den Swoon machen. Diese Swoon sehen wie Gurken aus.
Wie Gurken. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Früher hätte man
das Kollaboration genannt. Heute bezeichnet man es als Diplomatie.
Und was ist die Folge?«
Der untersetzte Mann beugte sich in dem Sessel nach vorn und
fuchtelte mit den Händen. Seine Füße baumelten
dreißig Zentimeter über dem Boden.
»Ich werde dir sagen, was die Folge ist«, fuhr er
grimmig fort. »Die Folge ist, daß sich diebische Gewächse
in den Wohnungen anständiger Bürger einnisten, jeder
dahergelaufene arkonidische Faulpelz sich als Kristallprinz ausgibt
und die Cocktailpartys unserer besten Freunde Tummelplätze für
kriminelle Gärtner sind. Früher war das ganz anders. Da gab
es noch.«
Ein Summton erklang und hinderte Gulf, seine Befristete Ehefrau
über die weiteren Vorzüge der guten alten Zeit aufzuklären.
»Wer kann das sein?« fragte Ulga O'Hail.
»Na, wer schon?« fauchte Gulf. »Dein Patenkind
natürlich. Wer besitzt sonst die Frechheit, mich in aller
Herrgottsfrühe bei der Lektüre meiner Zeitung zu stören?«
Er reckte den Kopf und sagte: »Empfang.«
Die Mikrofone des Apartmentcomputers fingen den Kodebefehl auf.
Ein holografisches Feld formte sich in Augenhöhe vor Gulfs
Schwebsessel und enthüllte das plastische Abbild eines
sonderbaren Wesens.
Das Wesen ähnelte einem weißen, flachen Pudding mit
vier Stielaugen. Die Oberfläche des Puddings kräuselte sich
nervös, und die lidlosen Glubschaugen schwankten wie betrunken
auf den knapp fünfzig Zentimeter langen Stielen hin und her.
Das Wesen war ein Matten-Willy von der Hundertsonnenwelt.
Hassewass 756, eine der zahllosen Kinderschwestern des posbischen
Zentralplasmas, machte Urlaub auf der Erde, und zu Gulfs Mißvergnügen
hatte sich Ulga um die Urlaubs-Patenschaft für den Matten-Willy
beworben.
Gulf verzog den Mund.
Was ihn anging, so bestand der einzige Unterschied zwischen dem
MattenWilly und dem grauenhaften Laufenden Moos darin, daß
Hassewass 756 sprechen konnte; ansonsten waren beide gleich
abscheulich.
Er neigte den Kopf und entdeckte den Translator zwischen den
stummeligen Pseudopodien an der Unterseite des Matten-Willys.
»Ich grüße Sie, meine menschlichen Freunde«,
sagte der Matten-Willy. »Was für ein herrlicher Tag, nicht
wahr?«
»So?« machte
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