PR TB 245 Das Ende Eines Herrschers
die
Wagenburgen der Makedonen passierten:
»Welch eine Veränderung! Hat es etwas zu bedeuten, daß
sich Griechen, Makedonen und Perser vermischen, in Sitten, Kleidung
und Sprache?«
»Es sind Alexanders Neuerungen. Er hat deutlich
ausgesprochen, daß er
aus beiden Kulturen ein Riesenreich zusammenfügen will. Ob es
gelingt, mit Hilfe wohlriechender Eunuchen, Konkubinen und
kostümierter makedonischer Feldherren, wage ich zu bezweifeln.«
Sie stieß ein kurzes Lachen aus und schüttelte ihr Haar
nach hinten.
»Kallisthenes, Nearchos, Krateros und Onesikritos sahen aus
wie zornige, nasse Hunde.«
»Seine Soldaten lieben diese Veränderung nicht«,
erklärte Chapar. »Sie folgen ihm nach Osten. Noch. Aber es
stehen ihnen unendlich harte Märsche bevor.«
»Für die Makedonen nichts Neues«, warf Atagenes
ein. »Aus der griechischen Polis schweifen sie aus in die
Kosmopolis, in die Oikomene. Diese Losung geht durch das Heer.«
»Wo wird Alexanders Heerzug wohl enden?« fragte Atares
nachdenklich.
»Und wann?«
»Mit Sicherheit dann«, sagte Chenta prophetisch, »wenn
ihn ein Speer in die Brust trifft.«
Charis und ich sahen uns schweigend an. Wenn der Speer nicht sein
Herz traf, würde der Makedone weiterleben. Nur ich hatte von ES
die Macht übertragen bekommen, Alexanders Leben zu beenden. Und
dafür mußte es viel größere, schwerer wiegende
Gründe geben als Launen, geänderte Sitten oder
Zwischenfälle. Wir wandten uns nach Südosten und ritten,
wieder einmal ohne Ziel, auf die nächste Karawanserei der
Königsstraße zu.
Gegen Abend sahen wir vor uns eine Felsnadel in der wasserarmen
Ebene. Sie warf einen langen Schatten. Im schrägen Licht der
sinkenden Sonne erkannten wir auf der ebenen Fläche der Flanke
Linien und Zeichen. Sie waren verwittert, aber gut zu erkennen. Seit
dem Tag, an dem sie eingemeißelt worden waren, schien sich das
Wetter hier nicht geändert zu haben. Atisa und ich galoppierten
hinüber.
Ich deutete darauf.
»Ein Pfeil deutet nach Osten. Daneben ein Zeichen. Sonne,
Mond und eine Zahl. Neun.«
»Könnte bedeuten, daß es neun Tagesreisen bis zu
einem nächsten Punkt sind?«
»Wer hat dieses Zeichen gesetzt? Es muß Jahrhunderte
her sein«, staunte Atisa. »Oder länger. Die Schrift
darunter ist uralt. Ich kann sie nicht lesen.«
Es war eine Bilderschrift. Ich konnte die ägyptischen
Hieroglyphen verhältnismäßig gut lesen und versuchte,
die Bilder und Zeichen zu entziffern. Es waren fremde Elemente
darunter. Langsam sprach ich, während meine Finger über die
Runen und Vertiefungen glitten.
»In der Zeit des Pharao Amenhemhet zieht hier die wunderbare
Karawane vorbei, die eine Straße schafft bis zum östlichen
Rand der Welt. So ungefähr muß es heißen«,
sagte ich stockend. »Auch Alexander betritt nur Straßen,
die weit vor seiner Zeit geschaffen wurden. Nichts Neues unter der
Sonne, Atisa.«
»Wer schuf diese Straße? Ein größerer
Eroberer als Alexander?«
»Jedenfalls einer, dessen Name längst vergessen ist«,
sagte ich. »Ich weiß es nicht.«
Der Adler stand, weit voraus, mit ausgebreiteten Schwingen über
den Häusern, Ställen und Brunnen der Karawanserei. Wir
rissen die Pferde herum und galoppierten auf das Ziel zu. Mich
beherrschten widerstrebende Gedanken. ES hatte sich nicht mehr
gemeldet, nichts von dem geschah, was wir uns als Ziel ausgedacht
hatten, und der Gedanke an unendliche Langeweile hatte sich bei uns
eingenistet. Die einzige Alternative waren Kämpfe und Siege an
Alexanders Seite und zu seinen Ehren. In einer Staubwolke ritten wir
in die medische Unterkunft ein und erhielten Essen, weiche Lager und
genügend Wasser.
Nachts, über uns den gestirnten Himmel, unter uns die Feuer
im Hof der Karawanserei, saßen wir auf dem flachen Dach. Am
Horizont sahen wir den Lichtschein von Alexanders Lager.
»Wir werden morgen mit Rico Verbindung aufnehmen«,
entschied ich. »Ich bin, was unsere Zukunft betrifft, ratlos.«
Die Zeichen, von der wunderbaren Karawane hinterlassen, hatten
mich in Wirklichkeit seltsam berührt. Ich erinnerte mich nicht.
Aber ein Gefühl versuchte immer wieder, mir einzuflüstern,
daß ich mit dieser Straße etwas zu tun gehabt hatte -
damals, zu Amenhemhets Zeiten. Wann war das gewesen, wann hatte jener
Ägypter gelebt? Vor eineinhalb Jahrtausenden? Oder früher?
»Endlich!« sagte Charis zufrieden. »Aber sicher
hätte sich Rico gemeldet, wenn es auf dieser Welt etwas
Wichtigeres als Alexander gegeben hätte.«
»Wir
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