PR TB 247 Albatros
er, um sie auf andere Gedanken
zu bringen.
»Er ist hinüber zu Kater, um ein wenig mit ihm zu
schwatzen.«
»Zürnt Keß' Vater mir?«
»Ach, wo denkst du hin.«
Sie sagte es, als sei es undenkbar, ihm wegen irgend etwas böse
zu sein.
Poe schlich in sein Zimmer und legte sich aufs Bett. Er hätte
jetzt einen schönen Traum gebraucht, aber er fürchtete sich
davor, auf Träume zu gehen. Wer garantierte ihm, daß nicht
wiederum eine seiner Traumfiguren ihn als Perzipienten auserkor, so
wie es dieser Fellmer Lloyd getan hatte? Der Name ging Poe nicht aus
dem Sinn.
Irgendwann schlief er ein, sein Schlaf war traumlos.
Er erwachte durch laute Stimmen. Als er durchs Fenster ins Freie
blinzelte, stellte er fest, daß die Sonne bereits tief stand
und ihre letzten roten Strahlen über Moms Garten schickte.
Die Jäger kamen zurück, allen voran Empi mit einer
majestätisch einherschreitenden Gazelle an ihrer Seite. Während
des Gehens veränderte die Gazelle ihre Gestalt und wurde zu
Wiwiw. Hinter ihnen folgten die anderen mit der Beute: zwei
stattliche Gazellen, die mit zusammengebundenen Fesseln von dicken
Tragstangen hingen.
Swapper, Kirre, Kicker und Link trugen diese Lasten im Schweiße
ihres Angesichts. Sie hätte sie natürlich auch kraft ihrer
Fantasie schweben lassen können, taten es aber nicht, weil die
Jagd ihre eigenen Gesetze hatte. Man war bemüht, dabei so
sportlich wie nur möglich zu sein und dabei die Körperkräfte
mehr als die geistigen einzusetzen.
Poe suchte unter den Jägern vergeblich nach Feiß.
Er sprang aus dem Bett und kletterte aus dem Fenster. Als Empi ihn
sah, strahlte sie übers ganze Gesicht und kam zu ihm gelaufen.
»He, Plau, warum erwiderst du nicht meinen Gruß!«
rief sie mit freundlichem Tadel. Plötzlich veränderte sich
ihr Gesichtsausdruck und zeigte
leises Entsetzen, »was sind das für seltsame Emotionen,
Plau. Was ist passiert, das dich dermaßen erschüttert?«
»Ich habe deinen Wisper-Gruß nicht gehört«,
sagte er wahrheitsgemäß.
Aber sie lachte.
»Fast wäre ich auf deinen Ulk hereingefallen.«
Er ließ sie in dem Glauben, daß alles nur ein Scherz
sei.
Die Gazellen wurden gehäutet, ausgeweidet und in die
Trockenkammer des Vorratshauses gehängt. Man wollte mit dem
Festschmaus noch drei Tage warten, bis das Gazellenfleisch mürbe
genug war.
Funke entzündete zwei Scheiterhaufen, und noch ehe die Nacht
über das kleine Dorf hereinbrach, loderten die Flammen der
beiden Lagerfeuer hoch in den sich violett verfärbenden Himmel.
Die Senis scharten sich um die Jungen und lauschten ihren
Erzählungen über dieses Jagdabenteuer. Und es gab viel zu
erzählen.
»Wiwiw hat aus uns Gazellen gemacht, so daß wir uns
unter die Herde mischen konnten«, erzählte Empi. »Die
Tiere nahmen uns als ihresgleichen, ich empfing nicht den geringsten
Impuls von Angst. Dann machte Funke einen harmlosen Buschbrand, Mom
möge, ihm verzeihen, und sorgte so für eine Stampede. War
das eine Hetzerei!«
»Ich habe es dir angemerkt, daß du am liebsten
weggesprungen oder geschwebt wärst«, warf Kirre ein.
»Das wäre nicht sportlich gewesen, also ließ ich
es«, erwiderte Empi. »Jedenfalls hat Funkes Lauffeuer die
Herde geradewegs auf das Versteck zugetrieben, wo Wiwiw und Linke
bereits als Raubkatzen lauerten. Wiwiw hat aus Linke den stärksten
Geparden gemacht, den man sich denken kann. Aber, wie viele Gazellen,
glaubt ihr, hat unser Tolpatsch geschlagen?«
»Keine einzige!« riefen die anderen im Chor. »Wiwiw
mußte beide erlegen.«
Schallendes Gelächter folgte.
»Ich hab' nur keine Beute gemacht, weil Wiwiw mir einen
lahmen Hinterlauf verpaßt hat«, versuchte sich Linke, der
seinen Namen seiner sprichwörtlichen Ungeschicklichkeit zu
verdanken hatte, zu verteidigen. Aber das brachte ihm eine neuerliche
Lachsalve ein.
»Schade, daß Vater das nicht mehr erleben kann«,
sagte Grauheimchen zu Poe gebeugt und wischte sich eine Lachträne
aus dem Augenwinkel.
»Wie meinst du das? Was ist mit Gutmut?«
»Er hat Kater in Moms Garten begleitet«, antwortete
seine Mutter.
Er packte sie an den Schultern und wetterte unwillkürlich,
daß ihr die Haare zu Berge standen. Er ließ sie los und
sagte eindringlich:
»Sag, daß das nicht wahr ist. Gutmuts Stunde kann noch
nicht geschlagen haben. Mom darf ihn nicht zu sich rufen.«
»Aber, aber, Kindchen.« Sie tätschelte ihm die
Wange. »Was machst du für ein Drama aus der natürlichsten
Sache der Welt. Daß ihr Jungen nie
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