PR TB 247 Albatros
und Tod sind die Folge.«
»Du willst mir Angst machen«, rief Poe zornig. »Wie
willst du wissen, daß es so eine Krankheit überhaupt gibt?
Die Geschichte, die du mir erzählt hast, kannst du dir ebensogut
ausgedacht haben.«
»Ich, der Dorfseni?« fragte der Alte. »Über
solche Jugendtorheiten bin ich schon längst hinaus. Du hast
schon recht, die Geschichte könnte erfunden sein. Aber dann wäre
Empis Bruder ihr Urheber.«
»Feiß?« rief Poe ungläubig aus.
»Ja, der. Er hat sie mir vor ein paar Jahren erzählt.
Möglich, daß er sie selbst schon vergessen hat. Aber Empi
dürfte sie behalten haben, sonst hätte sie dich nicht zur
mir geschickt.«
»Feiß.«, murmelte Poe. »Feiß! Was
hat er mit dieser Geschichte zu tun?«
Methusalem sah ihn nur an, und das war Antwort genug. Der Dorfseni
hatte sie ihm zuvor ganz deutlich gegeben. Poe hatte die Worte noch
ganz deutlich im Gedächtnis, sie wisperten förmlich in
seinem Geist:
Um diese Seuche einzudämmen, mußte Mom jemanden mit
starker Fantasie ausschicken, der diese zerstörerische Kraft in
sich aufnehmen und in sich eindämmen konnte, damit sie nicht
wieder frei werde.
Und nach all den Hinweisen des Dorfseni konnte dieser Jemand
eigentlich nur Feiß sein. Dieser Heimlichfeiß!
»Ich danke dir, Meth«, sagte Poe und ging. Irgendwie
war er jetzt ruhiger, da er hoffen konnte, daß nicht Mom ihn
seiner Fantasie beraubte, sondern er nur ein Opfer von Feiß'
Rache war. Gegen Empis Bruder konnte er sich wehren, gegen Moms
Willen nicht.
Nun, da er wußte, woran er war, kam er sich nicht mehr so
verloren vor und spürte seine Selbstsicherheit allmählich
zurückkommen. Dennoch wollte er nicht zu den Lagerfeuern zurück
und sich zu den anderen gesellen. Er wollte allein sein. Darum machte
er einen großen Bogen um den Feuerschein, um unbemerkt ins Haus
zu gelangen.
Aber Empi mußte sein Kommen gefühlt haben, denn als er
durch die Tür treten wollte, tauchte sie auf einmal neben ihm
auf.
»Hat der Medizinmann es dir gesagt?« fragte sie.
Poe nickte.
»Warum hast du es mir verschwiegen?«
»Er ist mein Bruder, Plau.« Sie biß sich auf die
Lippen. »Ich weiß noch immer nicht, ob ich recht
gehandelt habe, daß ich dir den Hinweis gab. Es ist mein
Verrat, auch wenn meine Lippen geschlossen blieben. Aber
wenigstens habe ich für Chancengleichheit gesorgt.«
»Dafür danke ich dir.«
Sie ergriff seinen Arm, ließ ihn aber sofort wieder los.
»Kommst du nicht zu uns?«
»Ist dein Bruder auch da?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Er ist noch immer verschwunden.«
»Dann komme ich auch nicht. Ich möchte allein sein und
ein wenig träumen - falls ich noch die Kraft habe.«
Er machte einen Schritt ins Haus, aber Empi griff nach ihm.
»Ich möchte dir noch sagen, daß ich nicht
billige, was mein Bruder tut«, sagte sie. »Es ist nicht
fair, und Mom wird ihn dafür vermutlich auch bestrafen. Er
mißbraucht seine Vertrauensstellung.«
»Wer weiß, vielleicht hat Mom ihn beauftragt, mich auf
diese Weise zu bestrafen«, sagte Poe. »Ich habe ihre
Gesetze gebrochen.«
Er ging ins Haus. Empi mußte gefühlt haben, daß
er das Gespräch nicht mehr weiterführen wollte, sie folgte
ihm nicht. Er streckte sich auf seinem Bett aus, starrte zur Decke
und versuchte, sich den hereindringenden Geräuschen zu
verschließen.
Er trauerte um Gutmut. Egal, ob sein Tod kein endgültiger
war, sondern die Voraussetzung für eine neue Wiederkehr
schaffte; egal, ob sein Abgang nötig war für das
Gleichgewicht in Morris Garten, und wenn Gutmut noch so freudig
Abschied von diesem Leben genommen hatte, er fehlte Poe, als wäre
er ein Stück von ihm selbst.
Irgendwie mochte das sogar zutreffen, denn hieß es nicht,
daß sie alle zu Mom gehörten?
Wie es wohl Jim Harlow weiter ergangen war? Die Frage tauchte
zuerst nur ganz beiläufig in Poes Geist auf, nahm aber bald eine
dominierende Stellung ein.
Konnte er es wagen, von Jim Harlow zu träumen, ohne
befürchten zu müssen, auf den Geist von Fellmer Lloyd zu
prallen? Und wenn schon, was hatte er zu befürchten? Es hatte
eine Phase gegeben, da hegte er die Befürchtung, daß eben
dieser Lloyd irgendwie mit dem Schwinden seiner Fantasie zu tun
hatte. Aber das war vorbei. Er kannte jetzt den wahren Grund.
4.
Jim Harlow hatte schon immer eine Abneigung gegen Abkürzungen
gehabt. Klar, daß es zu umständlich war, manche
Wortungetüme stets in ihrer vollen Länge auszusprechen,
aber hier lag schon der Hund begraben, weil diese
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