PR TB 247 Albatros
weiß ich, daß du dich in mich verliebt hast, Plau.
Ich kann nicht schweigend darüber hinweggehen, dafür
empfange ich deine Emotion zu stark. Wir müssen darüber
sprechen, um klare Linien zu schaffen.«
»Klare Linien!« wiederholte er bitter. »Das hört
sich abweisend an.«
»Bleib gescheit, Plau«, sagte sie. »Ich möchte
deine Freundschaft behalten, sie ist das Schönste, das ich im
ganzen Dorffried empfange. Aber ich kann deine Liebe nicht erwidern -
nicht diese Art von Liebe, die körperliche, die dich letzte
Nacht geplagt hat. Dafür habe ich mich einem anderen
versprochen.«
Es schnürte ihm wieder die Kehle zu, sein Gehirn gefror zu
einem Eisblock, Empi mußte ihn ein gutes Stück des Weges
tragen. Er sammelte sich allmählich wieder, versuchte, auf
andere Gedanken zu kommen. Er wollte das Thema wechseln, er schämte
sich und wollte sich nicht völlig lächerlich machen.
»Landen wir«, sagte er und ließ sich fallen.
Träumen, träumen, das wäre schön. »Ich
möchte dir eine Frage stellen, die mich schon lange plagt.«
Sie landeten auf einer Lichtung in der Wildnis. Rings um sie war
nur das Wispern harmloser Kleintiere und das Säuseln
ungefährlicher Pflanzen.
»Empi, wie stehst du zu Mom?« fragte er.
»Wie alle anderen auch, vermute ich,«, sagte sie
nachdenklich. Doch dann schüttelte sie den Kopf, und ihr Gesicht
veränderte sich, zeigte einen Ausdruck, der eine Mischung aus
Tadel und kameradschaftlicher Anteilnahme war. »Lenke nicht ab,
Plau, kapsele dich nicht ab. Wir müssen dein Problem aus der
Welt schaffen. Träume einmal nicht. Ich möchte von dir
wieder Gefühle wie früher empfangen. Ich mag dich nicht
leiden fühlen, sonst leide ich mit. Du bist mein Freund, mein
Auserwählter ist Kirre.«
Kirre!.
Sie zuckte unter seinem Plärren zusammen.
»Er hat dich ganz kirre gemacht«, sagte er bitter. »So
ist es doch, nicht wahr? Du mußt das als Gefühlsempfängerin
doch spüren.«
Aber sie schüttelte den Kopf.
»Kirre kann einem mancherlei einsuggerieren. Er kirrt die
wildeste Bestie aus Moms Garten zu einem lammfrommen Haustier. Aber
er könnte eine Empathin wie mich nicht so beeinflussen, daß
sie wider ihren Willen Liebe empfinden könnte. Ich habe gewählt
und befunden, daß Kirre für mich der beste Partner fürs
Leben ist.«
Poe schwieg. Er wollte träumen, ein Albatros sein und
fortfliegen.
»Sei nicht traurig, Plau - bitte.«
»Ich muß allein sein.«
Er hätte nicht zu jagen vermocht, konnte das Wispern anderer
Menschen nicht ertragen.
»Kannst du auch Moms Wispern vernehmen?« fragte er
fast barsch.
»Wer denn nicht?«
»Nennt sie dich ihren Liebling?«
»Plau! Du weißt so gut wie ich, daß kein Mensch
die besondere Gunst von Mom besitzt. Alle Wesen, jeder Käfer,
jeder Vogel, jede Blüte in ihrem Garten, sind den anderen
gleichgestellt.«
Poe sprang fort, weit weg von Empi.
Nur du bist Moms besonderer Liebling, Omni, glaube mir.
2.
Keß' Vater hatte sich fein herausgeputzt. Er hatte sich
sogar den struppigen Oberlippenbart, der ihm den Namen Kater
eingebracht hatte, mit einer Kerze abgebrannt. Er trug auch sein
bestes Gewand, das Keß für ihn aus Pflanzenfasern geformt
hatte.
So präsentierte er sich der Gemeinde. Die Jungen waren alle
ausgeflogen, so daß die Erwachsenen unter sich waren.
»Wie sollen wir dich denn nun nennen, wo du keinen Katerbart
mehr hast«, scherzte Gutmut. Alle lachten.
»Ihr dürft mich als Kater in Erinnerung behalten«,
sagte Keß' Vater. Wieder lachten einige.
Kater suchte zuerst den Dorfseni auf, um von ihm Abschied zu
nehmen.
»Leb wohl, Methusalem, ich gehe ja nicht für immer.«
»Aber warum du und nicht ich?« sagte der Dorfseni.
»Ich bin der Älteste im Dorf und hätte ein Vorrecht.«
»Moms Wege sind unerforschlich«, erwiderte Kater. »Sie
gibt und nimmt, und wir müssen es nehmen, wie sie es bestimmt.«
»Ich beneide dich«, sagte der Dorfälteste und
drückte ihm die Hand. »Ich hoffe, dein Gehör trügt
dich nicht, und du gehst den richtigen Weg.«
»Mein Gehör mag nachgelassen haben«, sagte Kater
und tippte sich an die Stirn. »Aber mein Geist ist noch rege.
Ich kann sehr gut dem Ruf des schwarzen Panthers folgen. Dir,
Methusalem, wünsche ich, daß auch du schon bald das letzte
Wispern hörst.«
Sie begleiteten Keß' Vater bis zum Dorffried, winkten ihm zu
und riefen ihm die besten Glückwünsche nach. Es war ein
fröhlicher Abschied, obwohl sie wußten, daß sie Keß'
Vater nie mehr wiedersehen
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