PR TB 247 Albatros
Er
hörte schon schlecht und schreckte förmlich hoch, als Poe
vor ihm auftauchte.
»Hast du mir einen Schreck eingejagt, Poe«, sagte Keß'
Vater. »Ich dachte, du seist der schwarze Panther, der mich
gerufen hat.«
Poe lachte pflichtschuldig, weil er dachte, das sei ein Witz, aber
er hörte damit auf, als er die Gedanken des Alten empfing. Er
bildete sich tatsächlich ein, daß der schwarze Panther,
der in der Ferne brüllte, ihn als Beute auserkoren hatte und ihn
rief. Was war er doch für ein Seni!
Keß kam aus dem Haus, fiel Poe um den Hals und küßte
ihn. Poe wurde dabei ganz seltsam zumute. Keß hielt ihn von
sich, zwinkerte ihm zu und rief lachend:
»He, Plau, hast du schon Ameisen in der Hose?«
Er wollte daraufhin wütend werden, aber die Nähe von
Keß' Eltern ließ ihn die Flucht ergreifen.
»Warte doch, Plau.« Keß kam ihm blitzartig
nachgewandelt. Sie war ein zierliches, kokettes Mädchen mit
blonden, seitlich abstehenden Zöpfen - und eine gute Formerin.
Sie konnte einen großen Haufen Mist im Nu in ein Kunstwerk
verwandeln, wofür jeder andere Stunden oder Tage gebraucht
hätte. Sie hakte sich bei ihm unter und paßte sich
seinem Schritt an. »Es war doch nicht so gemeint. Es ist doch
nicht schlimm, wenn du in das gewisse Alter gekommen bist. Mit
sechzehn wäre das nur natürlich. Du brauchst eine
Gefährtin, ich weiß.«
Er versetzte ihr einen derartig starken Kick, daß sie einige
Schritte von ihm fortgeschleudert wurde und sich erst knapp vor einer
Hausmauer abfangen konnte. Sie sah ihn zuerst wütend an, dann
grinste sie böse.
»Paß mal auf, Traumtänzer!« sagte sie
giftig, und dann plärrte sie derart intensiv, daß Poe
meinte, daß selbst der Dorfseni sie hören mußte:
Hört, hört, Poe ist verliebt. Poe hat die Liebe entdeckt!
Poe ist verliebt!
Poe wäre am liebsten im Erdboden versunken, und er hätte
sich unsichtbar gemacht, wenn er dadurch dem Spottgewisper der
anderen hätte entrinnen können. Wirklich?
Poe, wie ist dieses Gefühl? Stärkt es die Fantasie? Wer
ist die Glückliche? Auf, auf zum fröhlichen...
Poe konnte die Sticheleien nicht mehr hören. Er hielt die
Luft an, bis er glaubte, der Kopf würde ihm platzen. Er wartete,
bis der Druck in seinem Gehirn übermächtig wurde - dann
atmete er aus. Sein aus Zorn geborener Gefühlsstau entlud sich
in einem blitzartigen Orkan, der zehn Schritt im Umkreis wirkte. Als
Poe wieder zur Besinnung kam und sich sein Blick klärte, sah er
vor sich die Trümmer einer Hütte.
Mom, habe ich das getan? fragte er erschrocken.
»Du dämlicher Gockel!« hörte er eine zornige
Stimme rufen. »Was fällt dir ein, so zu wettern.«
»Sei nicht garstig, Bruder«, vernahm er daraufhin eine
besänftigende Mädchenstimme. »Plau wurde gereizt und
hat in verständlicher Erregung gehandelt. Es ist ja nichts
passiert.«
Poe sah Feiß und seine Schwester Hand in Hand aus den
Trümmern des Hauses schweben. Ihrer beider Eltern waren links
von ihm materialisiert; ihre Kleidung sah mitgenommen aus, sie selbst
schienen nicht verletzt. Aber man sah ihnen an, daß sie unter
Schock standen.
»Es tut mir leid«, sagte Poe in ihre Richtung. »Ich
wollte es nicht, ich wußte gar nicht, daß ich so wettern
kann. Ich werde den Schaden wiedergutmachen.«
»Macht nichts«, sagte die Mutter des ungleichen
Geschwisterpaars.
»Das kostet dich eine Geschichte als Buße«,
scherzte der Vater. Er wiegte den Kopf. »Na, du bist mir
vielleicht ein Wirbelwind, Springinsfeld.«
Feiß kam zu Poe und starrte ihm herausfordernd in die Augen.
Er war groß und fett, eben ein richtiger Feiß. Er war so
träge, daß er seine Körpermassen nicht einmal richtig
in die Schwebe bringen konnte, und selbst wenn er wisperte, klang es
ölig und schleimig. Seine Schwester Empi war mit diesem Bruder
gestraft. Sie war etwas älter als Poe und auch älter als
ihr Bruder, sie wirkte nur wegen ihrer knabenhaften Gestalt und ihrem
kurzgeschnittenen Haar wir ein kleines Mädchen. Poe wurde rot,
als er an sie dachte.
»Das kostet dich was, Plau«, sagte Feiß.
»Niemand, nicht einmal ein
verliebter Gockel, spielt innerhalb des Dorffrieds ungestraft den
Poltergeist. Der Wiederaufbau des Hauses ist für dich keine
echte Buße, das kostet dich nur ein paar Gedanken nebenbei.«
»Was verlangst du?« fragte Poe und bemühte sich,
nicht an Empi zu denken, doch fürchtete er, daß er ihr
nichts vormachen konnte.
»Na, wie wär's damit, wenn du dich in einer Sportart
mit mir mißt, die ich
Weitere Kostenlose Bücher