PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten
schauten.
Ähnliche trutzige Wächter patrouillierten zu zweit oder zu viert zwischen den Gebäuden, bewaffnet mal mit stählernen Hellebarden, mal mit Hochleistungsarmbrüsten, mal mit Impulsstrahlern. Rhodan entdeckte zwei Daunoren, die mit einem schweren elektromagnetischen Schienengewehr ausgerüstet waren; der eine trug das mächtige Gewehr, dem anderen lastete der Kondensator auf dem Rücken.
Schienengewehre waren vergleichsweise primitive Waffen, dort üblich, wo die militärische Anwendung von Impuls- und Desintegratortechnologie nicht hinreichend fortgeschritten war. Sie eigneten sich ihrer enormen Reichweite und ihrer hohen Schussfrequenz wegen besonders als Flugabwehrwaffen. Fürchteten die Herren der Stadt einen Angriff aus der Luft von Seeseite? Rhodan verwarf den Gedanken. Der Pier wirkte auf ihn wie eine Miniatur der Stadt: ein in sich widersprüchliches, komplexes Gefüge voller Anachronismen; eine Schau und Nebeneinanderstellung unterschiedlichster, unzeitgemäßer Stile, Technologien und Lebensweisen.
In seiner Jugend hatte er einen guten Freund, der eine Modelleisenbahn besaß. Auf der Platte verkehrten Dampflokomotiven neben Elektrofahrzeugen. Als zehn- oder zwölfjähriger Junge hatte er ganze Nachmittage bei diesem Freund - Jerry? Jess? - zugebracht. Zunächst hatten sie Comics getauscht und gelesen: Superman, Batman, Plastic Man. Danach Schienen und Weichen montiert, Häuser aufgestellt oder verrückt, Tunnel über Gleise gestülpt und die Platte mit winzigen Bäumen aus Holzstäbchen, Warmleim und grün gefärbtem Sägemehl bepflanzt.
Schule. Kadettenschule der U.S. Air Force. Der Mond. Thora. Die Wega. Das Solare Imperium. Irgendwann in den 1990er-Jahren hatte er eine Einladung nach Tolland erhalten, wohin Jerry - nein: Jess verzogen war. Er nahm sie an. Ein Nachmittag mit Jess. Gespräche. Eine Zigarre. Fotografien. Seine Kinder: Carey, die Tochter. Robert Perry, der Sohn. Siehe da. Die Enkel. Der Gang in die Garage. Die Platte mit der Modelleisenbahn.
Die alten Dampflokomotiven verkehrten dort. Eine neuere Diesellok. In der Mitte der Platte, dort, wo sich früher eine blaue Folie befunden hatte, die einen See darstellte, komplett mit Plastikschwänen, Boot und Bootssteg und Schwimmern, lag das maßstabsgetreue Modell der GOOD HOPE, des arkonidischen Beibootes. Ein Traktorprojektor ließ das Raumschiff einen Meter in die Höhe steigen; ein Space-Jet schleuste aus und kreuzte den Weg der Dampflok.
Jess hatte Rhodan angelächelt: »Das hast du aus unserer Welt gemacht.«
»Nämlich was?«
»Eine Abenteuerlandschaft.« Lob? Vorwurf? Rhodan hatte zurückgelächelt, ohne nachzufragen.
War Airmid nicht etwas Ähnliches, eine Abenteuerlandschaft in planetarem Ausmaß? Rhodan war in Gedanken weiter gegangen. Caadil hielt ihn an einer Schaubude an.
»Was ist?«, fragte der Terraner.
Caadil wies stumm auf die Bude. Sie war aus Holzbrettern gezimmert, die Fugen zwischen den Brettern und Bohlen verschmiert mit einem Stoff, der wie Kuhfladen aussah. Im Hintergrund der Bude flackerten ein paar Fackeln gegen die zunehmende Dunkelheit an. Eine mannshohe spinnenförmige Gestalt saß auf einem Hocker. Vier Beine pendelten herab; die anderen vier Extremitäten dienten als Arme, mit denen das Wesen in großer Geschwindigkeit und mit gespenstischem Geschick fünf schwarze, handspannengroße Zylinder auf einer ockergelb markierten Fläche eines Brettes verschob.
»Das ist ein Hütchenspiel«, sagte Rhodan und lachte. »Die universale Symmetrie. Hier werden ein paar leichtsinnige Vögel übers Ohr gehauen. Wünschen wir ihnen viel Vergnügen dabei.«
Aber Caadil stand wie gebannt.
Die spinnenartige Kreatur hielt die Hütchen an und rückte eine komplizierte Brille mit etlichen verspiegelten Gläsern zurecht, die ihre sechs oder acht Augen bedeckten. Eine Armlänge zur Seite versetzt von der Spielfläche stand etwas auf dem Brett, was Rhodan wie ein Miniaturmodell eines Torbogentransmitters erschien. Der Torbogen glühte auf. In dem Raum, den er überspannte, erlosch alles Licht.
Auf der anderen Seite der ockerfarbenen Spielfläche stand ein Käfig. Caadil starrte ihn an. In dem Käfig hockten eng aufeinander etliche der fingergroßen Geschöpfe, wie sie sie von der Bar ihres Hotels her kannte. Zur Belustigung der Gäste hatten sie dort versuchen müssen, auf einem Würfel, der sich immerzu drehte, im Gleichgewicht zu bleiben und nicht herabzustürzen.
Das Hütchenspiel kam offenbar zum Ende. Die
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