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PR2604-Die Stunde der Auguren

PR2604-Die Stunde der Auguren

Titel: PR2604-Die Stunde der Auguren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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direkt auf ihn zu. Er bewegte sich gewandt, leicht und geschmeidig, als wäre er ein bloßer Schemen. Er kam so nah an ihm vorüber, dass Routh nur den Arm hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren.
    Aber er berührte den Auguren nicht, und der Augur berührte ihn nicht, wie er auch keinen anderen seiner Zuhörer berührte.
    Routh zögerte einen Moment, dann folgte er ihm.
     
    *
     
    Obwohl Routh nur diesen einen Augenblick gezögert hatte, ob er dem Auguren folgen sollte oder nicht, war der Fremde, als Routh sich endlich in Bewegung setzte, fast schon außer Sicht. Routh lief los und sah ihn kurz darauf in einen Turbolift eintreten.
    Nur mit Pucs Hilfe entdeckte er den Auguren außerhalb der Reeperbahn wieder. Der Fremde bewegte sich mit großer Selbstverständlichkeit, ganz so, als sei er lange schon auf dieser Welt, in dieser Stadt daheim.
    Natürlich waren Außerirdische auch in Hamburg kein seltenes Bild. Auch nicht in diesen Chaostagen. In der Menschenmenge, die durch die Straßen der gezeichneten Stadt strömten, entdeckte Routh einen Haluter, auf dessen Atlas-Schultern mindestens sechs Kinder saßen; die Riesengestalt stand still, Inbild eines Felsens in der Brandung.
    Routh schüttelte ärgerlich den Kopf. Warum hatte er dem Auguren keine mobile Mikrosonde nachgeschickt? Er schluckte, als ihm bewusst wurde, dass er es auch bei Anicee und Auris vergessen hatte. Was für ein Leichtsinn.
    Aller Ärger half nichts. Er ging, lief beinahe und hielt Ausschau nach Aliens. Da disputierte eine Gruppe von Unithern; ein Blues-Pärchen, Gataser wahrscheinlich, besichtigte das Chaos und stieß schrille Laute aus, die für seine Augen nach Entzücken klangen.
    Aber keiner der Nicht-Terraner ähnelte dem Auguren.
    Immer wieder musste er sich von Puc erinnern lassen, welchen Weg der Fremde genommen haben könnte. Endlich kam Routh wieder in Sichtweite.
    Stradnaver ging zügig, ohne gehetzt zu wirken. An dem Durcheinander nahm er keinen Anteil. Er drehte sich nicht ein einziges Mal um, um zu überprüfen, ob er verfolgt werde.
    Auch dann nicht, als sich die Phalanx der Gebäude lichtete und sie zum Friedhof Ohlsdorf gelangt waren.
    Routh vergrößerte den Abstand zwischen sich und dem Auguren. Puc schickte eine Mikrosonde los, die mit ihren Gazeflügelchen durch die Luft schwamm. Sie gewann ihre Kraft aus Licht und strahlte ihre Informationen gerichtet ab. Deshalb war sie auch für Hochleistungstechnologie kaum zu orten.
    Puc übermittelte ihm die Daten direkt ins Gedächtnis. Routh erinnerte sich daran, wohin der Augur in diesem Moment ging: an dem Vier-Engel-Brunnen vorbei, wo die Engel, die Arme einander auf die Schultern gelegt, ihre eisernen Köpfe zusammensteckten und einen so engen Kreis bildeten, dass nur die dünne Fontäne Wasser emporsteigen konnte; an den vielen Gestalten der versteinerten Trauer vorbei, an den mal freundlich, mal grimmig dreinblickenden Jenseitsgestalten aus Marmor, Granit, aus Perma-Eis, aus Kupfer.
    Die Informationen, die Puc ihm ins Gedächtnis einspielte, ließ Routh das parkähnliche Gelände als lang vertraut wahrnehmen. Wie ein Heimkehrer aus weiter Fremde, atmete Routh den Duft der Azaleen und Lorbeerbäume, er schaute Haine von Eiben mit ihren Kronen, die wie grüne Flammen wirkten.
    Durch eine Bresche sah er linker Hand die terrassierten Teiche.
    Routh glaubte zu wissen, wohin der Augur strebte: Sein Weg musste ihn zum Cordes-Turm führen, dem alten Wasserturm – oder darüber hinaus in das Alte Neuland des Friedhofs.
    Routh bemerkte, wie verlassen der Friedhof war.
    Natürlich. Die Lebenden müssen sich jetzt um die Lebenden kümmern. Die Toten stört das nicht. Die haben keine Eile. Es läuft ja alles auf sie zu.
    Der Augur passierte bereits das Kolumbarium der Swoon-Kolonie, dieses Bauwerk aus kristallisiertem Kohlenstoff. Er schritt an der riesigen eisernen Voliere vorbei, in der niemals Vögel hausten, dann durch das Jenseitstor, hinter dem jener Friedbezirk begann, in dem sich die meisten Nichtmenschen bestatten ließen. Das Balkentor bestand aus Ynkelonium-Terkonit und schimmerte in einem überirdischen Rosa.
    Routh hatte in Terrania, auf dem Flug nach Europa und in Hamburg selbst genug Zerstörungen gesehen, die vielen Verletzten und die Leichen. Trotzdem erschütterte ihn der Anblick des Turmes besonders. Der Cordes-Wasserturm wirkte wie ein Überbleibsel einer äonenalten Burg, der aus der Vorzeit in die Gegenwart des Jahres 1469 NGZ herüberragte. Er musste weit über

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