PR2616-Countdown für Sol
wirkten.
»Boko an Zentrale«, sagte er. »Was geht hier vor?«
»ARINNA spricht«, erhielt er zur Antwort. »Derzeit ist kein Besatzungsmitglied ansprechbar. Was passiert ist, steht noch nicht genau fest. Die Hyperortung zeigt an, dass sich das Solsystem nicht mehr an seiner bisherigen Position in der Milchstraße befindet.«
»Hier ist Boko, Korbinian Boko!«
»Das sagtest du.«
»Ich bin der Koch an Bord. Und ich bin nicht desorientiert.«
»Wir erhalten Funksprüche von Terra und Mars. Es sind nicht alle Menschen von völliger Desorientierung betroffen. Manche spüren nur leichte Einflüsse des wie immer gearteten Transfers.«
»In der AMATERASU bin ich wirklich der Einzige?«
»Ja.«
*
Seit einer Stunde weilte der Solare Resident an Bord der AMATERASU. Während Korbinian noch überlegte, was das zu bedeuten hatte, machten erste Gerüchte über die Begleiterin Bulls die Runde. Shanda Sarmotte kam von TIPI. Korbinian wusste nicht, was das war, aber es hörte sich wichtig an. Und wenn es wichtig war, hing es mit der Versetzung des Solsystems in einen fremden Minikosmos zusammen.
Zum zweiten Mal in diesem Monat sortierte er seine Rinderrouladen, nachdem er die erste Fuhre dem Konverter und damit der Energiegewinnung übergeben hatte. Zwangsweise, denn die Hygienevorschriften ließen nichts anderes zu. Seine »Hiwis« waren wieder in Ordnung und versuchten ihr Missgeschick durch Übereifer wettzumachen. Er bremste sie, weil er die Gefahr sah, dass sich die Geschichte wiederholte.
Während er seine Anweisungen erteilte, beschäftigten sich seine Gedanken weiter mit Bull. Er kam hierher, und die Station flog zudem deutlich tiefer als sonst. Etwas tat sich in der Sonne, und Korbinian beeilte sich, seine Rouladen an den Mann und die Frau zu bekommen.
Ihn wunderte sowieso, warum noch keiner zu ihm gekommen war und Fragen gestellt hatte.
Zum Beispiel, warum er als Sternekoch einen Job als Sternenkoch angenommen hatte. In einer Station wie dieser konnte er keinen Blumentopf gewinnen.
Er hätte Probleme gehabt, eine plausible Antwort zu geben. Weil ich schon lange mal in der Sonne fliegen wollte, klang nicht gerade überzeugend.
Die ersten Besucher der Bordkantine brachten Neuigkeiten. Etwas tat sich in der Sonne. Deshalb war Bull da. Es wurden Energien frei, eventuell fremdartige.
Korbinian zog sich hastig zurück. Genau das spürte er seit ein paar Stunden. Seine Sinne nahmen es wahr, seine Haut nahm es wahr. Wie ein leichter Sonnenbrand war es, eine Rötung, ein Ziehen, aber ohne dass sich die Haut tatsächlich verfärbte. Eine fremde Energie ... Sie umspielte ihn, sie umtanzte ihn, vielleicht war es nur Einbildung. In seinem Geist jedenfalls spürte er es, dass er wuchs, dass er mehr erfasste als bisher. Gedanken an Rouladen oder an Eisbein ließ er fallen, zu banal, zu gewöhnlich; er schweifte in exotische Kreationen ab, die einzig und allein daran scheitern würden, dass er die Zutaten nicht besorgen konnte.
Die Kühlräume und das Gefrierlager waren gut gefüllt. Die AMATERASU würde ein paar Monate über die Runden kommen, falls die Versorgung ausfiel und keine Schiffe mehr vom Merkur hierher flogen.
Korbinian starrte auf seine Hände. Die feinen Härchen auf den Handrücken standen senkrecht ab, wie elektrostatisch aufgeladen. Sein Körper strotzte nur so von Energie.
Wie hatte Stradprais beim letzten Zusammentreffen zu ihm gesagt? »In der AMATERASU wirst du in nächster Zeit mitbekommen, dass in der Sonne Veränderungen vor sich gehen. Manche Menschen werden es vielleicht als bedrohlich empfinden, aber es wird keine Bedrohung sein, sondern eine Bereicherung. Für dich persönlich wird es ein Gewinn sein, das wirst du spüren.«
Korbinian spürte es bereits. Er dachte schneller. Sein geistiger Horizont erweiterte sich. Die ersten Meldungen von den Nagelraumern sog er in sich auf wie ein Schwamm das Wasser. Da draußen war etwas, und es hatte mit ihm zu tun. Es war positiv für die Menschheit und deren Zukunft.
Das Kochen bereitete ihm viel weniger Mühe. Er musste sich längst nicht so konzentrieren wie vorher. Seine »Hiwis« steuerte er mit Gesten und knappen Zurufen, während sein Geist auf die Sonne und die fremden Energien gerichtet blieb und er auf den Ruf wartete.
Drei Tage verbrachte er auf diese Weise, bis zu jenem Abend des 13. September, um zwanzig nach neun.
In seinem Innenohr hörte er plötzlich das glockenhelle Lachen, ganz kurz nur. Es setzte alles frei, was sich in
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