PR2616-Countdown für Sol
mit mir aufgenommen hat. Und woher wusste er von Lia?«
Die Stille Ve wusste nicht, dass er die wenigen Menschen in der Nachbarschaft schon befragt hatte, denen Lias Zustand bekannt war.
»Ich bin Farquar verpflichtet. Und ich bin eine schwache Telepathin. Schwach heißt, ich kann keine Gedanken lesen.«
»Du hast Lia und mich an Farquar verraten ...«
»Willst du das wirklich Verrat nennen, Korbinian? Wenn, dann haben die Terraner euch verraten. Was haben sie für Lia getan? So viel wie für einen Prominenten? Für den Residenten? Für die Erste Terranerin? Wohl kaum.«
Er gab ihr im stillen recht, wollte es aber nicht unwidersprochen hinnehmen. »Ich habe sie nicht um Hilfe gebeten, weil klar war, dass keiner ihr helfen kann.«
Ve lachte leise. Ihr Körper bebte herausfordernd. »Inzwischen geht es doch gar nicht mehr um Lia. Sie kann ihr Leben bald selbst in die Hand nehmen.«
Korbinian sah sie irritiert an. Dass der Heilungsprozess schon so fortgeschritten war, hatte er nicht geahnt. »Es geht also um mich.«
»Du weißt, dass ich deine Gedanken nicht lesen kann. Aber ich spüre auch so, dass du Hilfe brauchst.«
»Nein«, sagte Korbinian.
Die Stille Ve betrachtete ihn nachdenklich. Dann sagte sie leise: »Du hast alles auf dich genommen. Du hast alles allein getragen. Aber du bist nicht Atlas, Träger der Welt. Niemand ist Atlas. Oder es sollte zumindest niemand so arrogant sein, es sein zu wollen.«
»Du hältst mich für arrogant?«
»Bist du es?« Wieder musterte sie ihn. »Ich hoffe, du bist es nicht. Ich hoffe, du findest den Mut, dir helfen zu lassen.«
Er dachte nach und schaute in ihre Augen. Es war leicht, ihr in die Augen zu blicken.
»Ja«, sagte er endlich und nickte.
»Gut.« Sie lächelte ihn an.
Ve zog ihn aufs Bett und verführte ihn. Korbinian ließ es geschehen.
Von dieser Frau hatte er sich seit ihrer ersten Begegnung angezogen gefühlt.
Sie liebten sich bis in den frühen Morgen, dann duschten sie. Während das Wasser ihre Körper von allen Seiten massierte, ergriff er Ves Hände und ging mit ihr spazieren. In der Klause, diesem Eigenraum, wie er es immer genannt hatte. Wie lange sie eng umschlungen durch dieses Gebilde gingen, er wusste es nicht. Das Zeitgefühl verlor sich hier, ohne dass er den Grund kannte. Vielleicht lag es an der Art des Raumes oder daran, dass der Mensch eigentlich ein zeitloses Wesen war.
Das Wasser auf ihrer Haut trocknete ebenfalls nicht. Es blieb erhalten, Perle für Perle.
Irgendwann hielt Korbinian es für angebracht, den Ausflug zu beenden. Übergangslos prasselte ihnen das Wasser entgegen.
»Du schaffst einen eigenen Raum im Raum, sozusagen ein Mikrouniversum«, sagte Ve. »Es ist keine Ausstülpung, sondern eine Einstülpung. Du invertierst den Raum. Man könnte deine Fähigkeit am treffendsten beschreiben, indem man dich einen Raum-Inverter nennt. Eine seltene Gabe.«
»Die Klause dehnt sich immer weiter aus. Das macht mir Angst. Es sind schon mehrere Kilometer, und die Höhe liegt inzwischen bei annähernd hundert Metern. Subjektiv natürlich.«
Vielleicht sollte er bei nächster Gelegenheit ein Messgerät mitnehmen.
Die Stille Ve ging nicht darauf ein.
»Als Kind bei dem Brand hast du instinktiv Zuflucht in der Klause gesucht, ohne zu wissen, was das war. Bestimmt hast du sie nicht nur einmal unwissentlich benutzt. Es kann im Schlaf gewesen sein. Beim Brand hast du lieb gewonnene Gegenstände mitgenommen, aber auch andere.«
Korbinian wusste es. Lia hatte ihn deshalb nicht gefunden, und das hatte sie fast das Leben gekostet. Auch wenn ihn keine Schuld traf, seine Fähigkeit hatte alles ausgelöst.
Stradprais tat das, wozu Menschen nicht in der Lage gewesen wären. Er heilte ihn, heilte sein Leben, heilte Lia.
Deshalb stand Korbinians Entschluss fest.
Worum immer der Heiler ihn bitten würde, er würde dieser Bitte nachkommen.
*
Stradprais zog Korbinian hinaus in den Flur. »Mir ist etwas eingefallen. Du solltest es wissen, bevor du zur Station zurückkehrst.«
»Hoffentlich ist es nichts Schlimmes!«
»Sei beruhigt! In der AMATERASU wirst du in nächster Zeit mitbekommen, dass in der Sonne Veränderungen vor sich gehen. Manche Menschen werden es vielleicht als bedrohlich empfinden, aber es wird keine Bedrohung sein, sondern eine Bereicherung. Für dich persönlich wird es ein Gewinn sein, das wirst du spüren. Und falls du Bedenken hast: Es wird niemand sterben bei dem, was du tust. Im Gegenteil. Die Menschheit wird
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