PR2616-Countdown für Sol
insgesamt dadurch gewinnen. Sie wird aus ihrem Dornröschenschlaf im Technikschloss aufwachen und sich endlich wieder der Evolution stellen.«
Stradprais ging, und Korbinian verschwand in seinem Zimmer, um das Gepäck für den Bordaufenthalt zu richten. Ve wartete schon auf ihn. Gemeinsam packten sie den zwei mal zwei Meter großen Container. Anschließend küssten sie einander lang und ausgiebig.
»Es kommen unruhige Zeiten«, sagte Ve. »Mach dir keine Sorgen. Lia und ich schaukeln das schon. Ich werde auf deine Schwester genauso achten wie auf mich selbst. Wenn du nur Stradprais den Gefallen tust, wird alles gut.«
Korbinian stutzte. Das klang nicht nach einem Gefallen, sondern nach einer Bedingung. Erpressung?
»Stradprais hat Lia in der Hand. Willst du mir das damit sagen?«
Ve schaute ihn sprachlos an. »Eine Drohung, meinst du? Wie kannst du nur so etwas denken? Lias Zustand ist inzwischen stabil. Stradprais hat alles getan, was ihm möglich war. Das nimmt deiner Schwester keiner mehr. Ob er allerdings zu weiterer Hilfe bereit ist, wenn du ablehnst, das weiß ich nicht.«
»Es klang so merkwürdig. Stradprais kann sich selbstverständlich auf mich verlassen.«
Ve hielt ihm eine Pinzette mit dem ameisengroßen Ding vor die Nase. »Nimm das hier, Korbinian! Es ist ein kleines Hyperfunkgerät. Es kann nur empfangen, aber nicht senden. Es wird sich erst an Bord der Sonnenstation aktivieren. Ich setze es in dein Innenohr.«
Das Einsetzen kitzelte ein wenig, aber dann spürte er nichts mehr. Fragend sah er Ve an.
»Du wirst zu einem bestimmten Zeitpunkt einen kurzen Funkimpuls mit einem unverwechselbaren Geräusch hören. Mein Lachen. Das ist dein Startzeichen. Dann tust du es.«
»Gut.«
Er küsste sie lange und intensiv, dann ging er zu Lia, um sich zu verabschieden.
8.
AMATERASU,
5. September 1469 NGZ
Korbinians Lebensraum an Bord der AMATERASU maß sechs mal vier Meter und war in drei Zimmer aufgeteilt: Wohn- und Schlafraum und ein komfortables Bad, das aus einer Nasszelle, einer Toilette und einer Erweiterungseinheit bestand. Er hatte es sich vertraglich zusichern lassen, dass diese zur Ausstattung gehörte.
Jetzt, wo er sich dem teils langweiligen Bordalltag ausgesetzt sah, richtete er es sich mit der Erweiterungseinheit behaglich ein. Teilweise mehrmals pro Tag klappte er die hintere Wand des Badezimmers nach außen und zitierte sie herbei, eine Kammer von der Höhe seiner Nasszelle, aber mit zweieinhalb Metern Länge und eineinhalb Metern Breite. Mit ihrer Größe hätte sie nicht in das Bad gepasst, also hatten die Techniker sie im Versorgungsschacht deponiert. Er brauchte nur nach ihr zu pfeifen.
Verträumt betrachtete er das Teil. Es enthielt eine Badewannenmulde und eine Erweiterung mit Sitzfläche, die als Whirlpool ausgestattet war.
»Wasser einlassen und eine Verbindung zu Lia herstellen!«, befahl er dem Servo.
»Wasser läuft. Eine Funkverbindung mit Terra ist im Moment nicht möglich.«
Beim letzten Mal hatte der Moment ganze drei Tage gedauert. Korbinian hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Lia und Ve mussten damit leben. Es ging nicht anders.
Ob seine Schwester ahnte, dass es einen Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit in der AMATERASU und ihrer Heilung durch Stradprais gab? Sie war seine Zwillingsschwester und spürte mit Sicherheit, dass es da irgendeinen Zusammenhang gab. Was es war, darauf kam sie vermutlich nicht.
Korbinian wäre der Letzte gewesen, der es ihr erzählt hätte.
In der Einheit plätscherte es. Er entkleidete sich und kletterte in das angenehm warme Recyclingwasser. Überhaupt war das Wasser in der AMATERASU eher warm als kalt. Die Wärme gab es kostenlos, sie musste nur durch den Schirm gelassen werden. Die meiste Energie kostete in der Forschungsstation die Kühlung. Aber auch die kam dank der Induktionszapfer direkt von außerhalb.
Korbinian streckte sich aus, legte den Kopf zurück und entspannte sich. Mit dem Zeigefinger drückte er ganz leicht gegen das rechte Ohr. Er spürte den minimalen Widerstand des winzigen Hyperfunkgeräts. Wie jedes Mal stellte er sich die Frage, ob es noch funktionierte oder schon Opfer des vielen Badewassers geworden war. Oder was passierte, wenn er schlief und Ves Lachen überhörte.
Er gestand sich ein, dass ihn eine Fehlfunktion des Geräts nicht weiter gestört hätte. Es lag in Stradprais' Verantwortung, wenn der winzige Empfänger kein Wasser vertrug.
»Etwas kälter«, sagte Korbinian zum Servo.
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