PR2616-Countdown für Sol
Camelot zu entdecken, schmerzte Gia umso mehr.
»Du weißt, dass ich mit Rhodan nichts am Hut habe«, sagte Stendal. »Ich liebe die Arbeit hier.« Er atmete tief ein. »Lass mich den Mord allein untersuchen!«
»Du? Stendal, bleib ernst. Du bist ein guter – ein sehr guter! – Mann. In der Koordination. Aber für solch eine Aufgabe fehlen dir Erfahrung und Durchsetzungsvermögen.«
»Denk nach, Gia! Erstens ist es für mich ein persönliches Anliegen, diesen Mord aufzuklären. Zweitens bin ich leichter zu entbehren als ein ganzes Einsatzkommando. Und drittens: Keiner im Hause würde es verstehen, wenn du Otmars Tod ohne Reaktion zur Kenntnis nähmst.«
Mit seinem Angebot hatte er Gia eine goldene Brücke gebaut, und nur allzu rasch ergriff sie die Möglichkeit, einen ihrer härtesten Kritiker für eine Zeit lang aus ihrem Blickfeld zu verbannen.
»Gut, Stendal. Keiner soll mir nachsagen, ich sorgte mich nicht um meine Leute. Ich setze dich hiermit in den Rang eines Agenten Klasse zwei. Du agierst unabhängig und hältst Hyperfunkkontakt mit uns in vorgeschriebenen Abständen. Sobald du etwas herausfindest, benachrichtigst du uns. Um es unmissverständlich zu formulieren: Es gibt keinen privaten Rachefeldzug, keine Vendetta. Hast du mich verstanden?«
Stendals helle Augen maßen Gia de Moleon mit Verachtung. »Ja, ich habe verstanden. Ich finde diesen Mörder und liefere ihn der Gerechtigkeit aus. Guten Tag!«
*
»Syntron, hast du das Gespräch aufgezeichnet?«
»Selbstverständlich, Gia!« Ein leichter Vorwurf schwang in der rauen, maskulinen Stimme mit.
»Gut. Ich denke, es ist an der Zeit, etwas zu riskieren. Stell mir eine Verbindung nach Tryop her ...«
*
Der TLD-Tower spiegelte als Bauwerk des dreizehnten Jahrhunderts NGZ den architektonischen Zeitgeist der Terraner wider. Zweckmäßigkeit stand im Vordergrund. Von außen wirkte das flache, rechteckige Gebäude alles andere als spektakulär. Ähnlich wie im HQ Hanse, dem terranischen Regierungssitz, spielte sich das Leben tief im Inneren der Erde ab. Zigtausend Menschen arbeiteten und lebten im Tower, der einer autonomen Stadt glich.
Noch immer schwer geschockt vom Tod seines Lebensgefährten betrat Stendal Navajo einen Antigravlift, der ihn nach oben und ins Freie bringen würde. Fester, undurchsichtiger Boden und Wände aus Formenergie wurden dem Benutzer nur vorgespiegelt. Außer dem Gefühl der Sicherheit bot diese erfrischende Variante kühnen, modernen Baustils den Benutzern auch die Gelegenheit, mit anderen Besuchern oder Agenten zu plaudern – was in herkömmlichen Antigravliften nur eingeschränkt möglich war.
Stendal murmelte ein kurzes »Guten Morgen« in Richtung des Mannes, der in der dreiundvierzigsten Etage zustieg. Er kannte den Kerl mit dem zernarbten Gesicht flüchtig; er war in einer Verwaltungsabteilung tätig.
Der Mann – war sein Name nicht Roog oder so ähnlich? – roch unangenehm nach Alkohol, war unrasiert und hatte einen Overall an, der vor Schmutz starrte.
»Na, Albino, war's schön in der Tretmühle? Hast du gut auf deine lieben, kleinen Schäfchen aufgepasst?«
Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein: Der Bursche hieß Sholter Roog und war schon bei verschiedensten Anlässen unangenehm aufgefallen. Ein Wunder, dass ihn die sonst als kompromisslos geltende Gia de Moleon nicht schon längst rausgeschmissen hatte. Hatte er nicht mit der Aufklärung des Attentates auf Reaktor dreizehn in Terrania-West zu tun gehabt, vor etwa sechs Jahren?
»Du redest nicht mit mir, Albino? Bist wahrscheinlich Gias Schoßhündchen!«
Es hatten schon ganz andere Kaliber versucht, Stendal wegen seiner blassen Haut und des schlohweißen Haares zu beleidigen. Er war Halbalbino und hatte sich mit dem Spott über den genetisch bedingten Pigmentschaden längst abgefunden. Er war selbstbewusst genug, auf seine Andersartigkeit stolz zu sein.
Sholter zog eine halb volle Flasche dunkelgrünen Vurguzz hervor, nahm einen kräftigen Schluck daraus und bot sie Stendal an. »Ist ein Hänsl-Spezialverschnitt. Komm schon: Trinken wir auf Gia, die hässliche alte Hexe, die Hüterin dieses ganz besonderen Verlieses!«
Stendal erinnerte sich nun: Sholter hatte, zusammen mit einer jungen Agentin namens Fee Kellind, einen gefährlichen Wahnsinnigen ausgeschaltet, von dem der Albino nur noch den Spitznamen Schattenmann behalten hatte. Sholter war damals, im Jahr 1282 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, wegen verantwortungslosen Vorgehens im
Weitere Kostenlose Bücher