PR2616-Countdown für Sol
schützenden Hochenergieschirme ab. »Um auf deine Vorwürfe zurückzukommen: Ich kannte Otmar Leo. Ich weiß, was er für uns leistete. Ich weiß, dass er dein Freund war. Ich weiß auch, dass es nicht gerechtfertigt scheint, wenn wir nicht versuchen, den Mord an ihm aufzuklären. Fakt ist aber, dass wir Prioritäten setzen müssen. Die Milchstraße gleicht einem Hühnerhaufen. Alle laufen wild gackernd durch die Gegend und versuchen, ihre eigenen Interessen zu wahren. Und uns bleibt in diesem bunten Treiben die undankbare Aufgabe, die Hühner wieder einzufangen und sie auf ihre Nester zu setzen.« Leiser fügte sie hinzu: »Auch wenn sie fünf Minuten später wieder frei herumlaufen.«
Gia stand auf. Sie trug ein graues Kostüm, die halblangen graumelierten Haare waren streng nach hinten gekämmt, und ihr Schritt wirkte leicht schleppend, als sie hinter ihrem Arbeitstisch ein paar Schritte auf und ab ging.
»Aber was muss ich dir das alles erzählen, Stendal! Du kennst diese Spielchen ohnedies. Perry Rhodan ist verschwunden. Er hat auf Terra ein Machtvakuum hinterlassen, in dessen Sog die merkwürdigsten Dinge geschehen. Die politischen Entscheidungskörper der Liga Freier Terraner und der TLD verspüren mehr Druck als jemals zuvor.« Gia räusperte sich. »Das Zauberwort in dieser verdrehten Welt heißt: Effektivität! Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren.«
»Willst du sagen, dass ein Menschenleben nicht das Wesentlichste ist?«
»Du weißt, worauf ich hinauswill, Stendal! Ich rede von einer Galaxis, du von einem Toten! Vieles, über das ich zu entscheiden habe, beeinflusst das Leben von Milliarden von Lebewesen. Und manche dieser Entscheidungen sind mir keineswegs sympathisch. Aber ich muss sie treffen!«
Gia hatte ihren Rundgang beendet und ließ sich wieder in den Sessel fallen, der die zarte Frau fast zu schlucken schien.
»Und in diesem Fall – angesichts der vielen drohenden Gefahren gegen Terra und seine Verbündeten – bin ich der Meinung, dass wir es uns nicht leisten können, ein Team unserer besten verfügbaren Leute abzuziehen, um einen – versteh mich bitte nicht falsch! – einen einfachen Mord aufzuklären.«
Stendal schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich verstehe dich nicht, Gia! Das war einer unserer Männer im Einsatz. Ein Mensch, der für seine – besser gesagt: unsere – Ideale gestorben ist! Wir wissen nicht, was passiert ist, wie es passiert ist und warum es passiert ist. Und wir überlassen es irgendwelchen hinterwäldlerischen Beamten, diese Fragen zu beantworten?«
»Du bist nicht vollends informiert, scheint mir. Laut den Berichten von Tryop ist ein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als TLD-Agent unwahrscheinlich. Es war ein brutaler Mord, ja. Aber das Opfer schien willkürlich ausgewählt. Würdest du das Dossier kennen, wüsstest du, dass Tryop keine besonders angenehme Welt ist. Mord und Totschlag sind dort an der Tagesordnung. Es ist nicht unsere Aufgabe, uns in die inneren polizeilichen Angelegenheiten eines anderen Planeten einzumischen. Otmar hatte den Auftrag, im Rahmen seiner Tarnung mögliche geheimdienstliche Aktivitäten der Arkoniden oder des Forums Raglund aufzudecken und nebenbei einen allgemeinen Bericht über Tryop zu verfassen. Seine Ermordung steht in keinem Zusammenhang mit diesem Auftrag! Punktum!«
Stendal schüttelte unwillkürlich den Kopf. »Gia, du brichst mit den ungeschriebenen Regeln des Liga-Dienstes! Wir müssen alles tun, um diesen Mord aufzuklären. Ich will hier nicht abgedroschene Phrasen vom Korpsgeist bemühen, aber um der Moral willen: Stell ein Einsatzteam zusammen!«
»Ich sagte nein!« Die Stimme der alten Frau klang unerbittlich.
»Du wirst dir den Zorn deiner Mitarbeiter zuziehen, Gia! Diese Entscheidung wird niemand verstehen.«
»Ich verlange von meinen Untergebenen kein Verständnis, sondern Gehorsam! Solange ich auf diesem Stuhl sitze, sind meine Anweisungen zu befolgen. Ich habe meine Beweggründe auch nicht zu rechtfertigen, ich entscheide. Wem dies nicht passt, der kann den Liga-Dienst verlassen. Willst du das, Stendal?« Gia zeigte das Lächeln eines Raubtieres. »Willst du vielleicht gar zu den unsterblichen Narren auf ihrem geheimnisumwitterten Planeten namens Camelot überlaufen? Möchtest du das wirklich?«
Stendal Navajo kannte ihre Sicht der Dinge in dieser Angelegenheit. Die Unsterblichen, insbesondere Perry Rhodan und Atlan, waren Dornen in ihrer Haut. Und dass sie es bislang nicht geschafft hatte,
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