PR2619-Planet der Formatierer
dramatisch-aufwühlenden, mal schleppend-schwermütigen Musik.
Das Spiel war so wunderlich fremd-vertraut, so unmenschlich-charmant, dass er die Zuschauer erst beim Näherkommen bemerkte.
Auf einer Terrasse vor der Bühne standen drei Sayporaner und zwei junge Terraner.
Routh stoppte die Wegschale und stieg aus.
*
Die beiden Terraner, junge Frauen, stellten sich als Sunshine und Laguretta vor. Sunshine hatte imponierend schönes schwarzes Haar. Lagurettas Kopf war kahl geschoren und mit schwach animierten Holo-Tätowierungen geschmückt, in denen Fabelwesen endlos durch Wälder galoppierten. Die beiden beantworteten Rouths Fragen widerwillig und betrachteten ihn bald mit unverhülltem Misstrauen. Die drei Sayporaner folgten dem Gespräch, mischten sich aber nicht ein.
Möglicherweise verstehen sie kein Interkosmo, vermutete Puc.
Routh erhielt keinen Hinweis auf Anicee. Irgendwann versiegte das Gespräch, und die Frauen widmeten sich ganz dem Marionettenspiel.
Er stieg wieder in die Wegschale und glitt davon. Er ließ sich treiben, wünschte, sein Fahrzeug hätte einen eigenen Willen. Er versuchte, mit der Wegschale zu kommunizieren, erst in Interkosmo, dann mithilfe Pucs in Saypadhi. Die Schale reagierte nicht.
Die Straßen verzweigten sich, kreuzten sich. Es gab Plätze, auf die liefen acht Straßen sternförmig zu. Manche Straßen waren strikt linear, andere schlugen weite Bögen. Nichts hatte System, jedenfalls keine Ordnung, die Routh durchschaut hätte. Auch nahm die Bebauung durch Daakmoy oder andere Häuser und Hallen weder zu noch ab, es schien keinen Stadtrand zu geben, keine Stadtmitte.
Routh hielt an einer der Vielfachkreuzungen an und stieg aus. Er hatte seit einer halben Stunde keinen Sayporaner, keinen Terraner mehr gesehen, nur hin und wieder ein Tier. Er überlegte, ob die Begegnung mit den beiden Frauen nur eine Halluzination gewesen sein konnte. Ihm war, als reiste er durch eine Stadt, in der alles gesagt und getan worden war, und das schon vor Ewigkeiten. Er setzte sich in die Mitte der Schale und schloss die Augen. Nach und nach verlor er das Zeitgefühl.
Wollten wir nicht Anicee suchen?, mahnte ihn Puc.
»Ja«, sagte Routh laut. »Aber was, wenn sie nicht in Whya, nicht einmal auf Gadomenäa ist?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Puc. »Aber es wird niemand zu uns kommen und uns ihre Adresse melden.«
Routh nickte, stand wieder auf und ließ die Wegschale über den Boden schwimmen.
Banteira senkte sich bereits zum Horizont, teilweise verhüllt von purpurfarbenen Wolken, als Routh eine Jagd beobachtete. Mitten auf einem Platz griffen drei weiße Raubtiere, eine Mischung aus Riesenfledermaus und Schnee-Eule, eine der dreibeinigen Giraffen mit dem Löwenschädel an. Die Raubtiere schlugen mit Krallen und Schnäbeln zu und rissen ihrer Beute ganze Fetzen aus dem Fleisch. Die Löwengiraffe schrie dumpf und gequält auf.
Plötzlich glitt aus einer Nebenstraße eine Wegschale, die unmittelbar neben dem Gemetzel anhielt. Ein Junker mit einem Rucksack flog über den Rand der Schale und auf die geschlagene Beute zu. Die Raubtiere wichen ein wenig zurück, schlugen träge mit den Flügeln und schwebten auf der Stelle.
Der Junker entnahm seinem Rucksack Bissen einer rosa-blauen Substanz und warf sie den Raubtieren zu. Sie schnappten danach und schlangen sie hinunter. Bald waren sie satt, wendeten sich von ihrem verwundeten Opfer ab und verschwanden mit gemächlichen Flügelschlägen in den Abendhimmel. Der Junker hatte inzwischen medizinisches Gerät aus dem Rucksack genommen und versorgte die Löwengiraffe.
Routh steuerte seine Wegschale zum Junker und sprach ihn an. Der Junker reagierte nicht.
Erst in diesem Moment nahm Routh das Gebilde wahr. Es lag halb in den Arkaden einer Halle verborgen, die den Platz nach Norden abschloss. Es ähnelte einem Papierflieger, nur war der sichtbare Flügel komplexer gefaltet, auch das Kopfstück. Das Gebilde wirkte wie eine ins Gigantische vergrößerte Origami-Figur. Routh ließ den Junker stehen und glitt mit der Schale zu den Arkaden. Er stieg aus und berührte das Objekt. Es war aus einer unglaublich leichten Metallfolie gefaltet. Es bereitete Routh keine Mühe, das Gebilde mit einer Hand anzuheben.
Als er sich zu dem Junker umdrehte, war der bereits mit seiner Wegschale verschwunden. Die Löwengiraffe hatte sich auf ihre drei Beine erhoben und stakste bedachtsam davon.
Bei der Weiterfahrt hielt Routh gezielt nach den Faltfiguren Ausschau.
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