PR2619-Planet der Formatierer
physisch darunter, mit welchem Aufwand Puc den Einfluss der Musik niederkämpfen musste.
Nach einer solchen Sitzung saß Routh nahezu apathisch da, ausgelaugt wie nach einem bestialischen Traum. Benat aber lieferte sich Wortgefechte mit Pläccvaim, kalt und überlegen und mit Argumenten, die vor Logik und Gewitztheit funkelten.
Pläccvaim parierte rhetorisch geschickt, aber glanzlos.
Eines Tages überlegte Routh mit seinem Implantmemo, was den jungen Terraner gegen den Einfluss der sayporanischen Überzeugungsmaschinerie immunisierte.
Puc sagte: Möglicherweise produziert Benats Körper schlicht zu viel Dihydrotestosteron. DHT kann dem Oxytocin entgegenwirken. Bei einem erhöhten DHT-Spiegel steigt die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten aller Art und zu Misstrauen. Möglicherweise funktionieren aber auch seine Oxytocin-Rezeptoren nicht richtig.
Er macht auf mich nicht den Eindruck, als wäre etwas bei ihm defekt, wandte Routh ein.
Sein Verhalten muss keineswegs krankhaft sein, entgegnete Puc. Ich suche nur nach einer plausiblen Erklärung.
Du klingst, als ob wir Marionetten wären, gesteuert von Fäden aus Hormonen, Drüsen und Rezeptoren.
Marionetten gehorchen keinem Drüsensystem, sondern nur den Pendelgesetzen und der Schwerkraft, stellte Puc klar.
An diesem Abend befahl Routh dem Implantmemo, die wiedergefundene Mikrosonde auszuschicken und damit Anicee im Auge zu behalten.
*
Am anderen Morgen weckte ihn Puc. Unsere Sonde ist zurück! Du solltest dir die Aufzeichnung ansehen.
Was ist geschehen?, fragte Routh.
Etwas Unabänderliches. Sieh es dir an, wiederholte Puc. Die Sonde ist leider beschädigt. Wir können nur sehen. Es liegt keine Tonaufnahme vor.
Aktivieren!, befahl Routh.
Er sah:
Anicee und Benat spazierten am Ufer des Mondspiegels. Über ihnen wölbte sich der fast unbestirnte Nachthimmel von Gadomenäa. Beide hatten die Arme auf dem Rücken verschränkt. Sie schienen zu schweigen.
Sie betrachteten das unwirkliche Spiegelbild im Wasser. Fast übergangslos gerieten Anicee und Benat in Streit. Beide bewegten plötzlich Arme und Hände heftig, berührten einander an der Schulter, schüttelten die Berührung des anderen ab, traten einen Schritt auseinander, dann wieder aufeinander zu. Routh hätte gerne gewusst, worum es in diesem Streit ging. Ein Zwist unter Liebenden? Das wäre die harmloseste aller Möglichkeiten gewesen, aber danach sah es nicht aus. Irgendetwas stand auf dem Spiel, aber er vermochte nicht zu erkennen, was.
Schließlich machte Anicee zwei, drei Schritte in den See und trat mehre Male ins Wasser. Das Wasser spritzte hoch; das Spiegelbild verzerrte sich. Benat ließ Anicee stehen und ging weiter. Anicee kam aus dem See und lief los, aber in Gegenrichtung.
Die Sonde folgte ihr bis zum Haus Teb Bhanna. In der Empfangshalle des Daakmoy wartete eine Zofe auf sie.
Liuve, sagte Puc. Anicee sprach mit der Zofe, verhandelte irgendwas.
Dann trennten sich die beiden.
Routh sah, dass die Mikrosonde zögerte. Aber schließlich – und es war, als hätte sie wie durch ein Wunder Rouths Flehen erhört – folgte sie der Zofe.
Liuve nahm eine Wegschale und fuhr bis zu einem der Lifte, die zur Onuudoy Mondspiegel hinaufführten. Als die Zofe das Gelände betrat, war kein Mensch mehr dort – außer Benat. Der junge Terraner saß am Ufer und studierte das Spiegelbild des unwirklichen Mondes.
Während die Zofe auf Benat zuging, zog sie aus ihrem schwarzen, metallisch schimmernden Hosenanzug einen Stab, lang und schmal. Zu seinem Entsetzen erkannte Routh, dass es sich um eine Waffe handelte, eine kurze Lanze, ein unterarmlanger, spitz zulaufender Wurfspeer.
Erst als sie ihm schon sehr nahe war, drehte Benat sich im Sitzen zu ihr um. In sein Gesicht trat ein undeutbarer Ausdruck. Ohne in ihrem Tempo auch nur einen Hauch nachzulassen, ging die Zofe weiter auf ihn zu und bohrte ihm den Spieß ins Herz.
Benat, zweifellos zu überrascht, hatte nicht einmal die Arme zu einer Abwehrbewegung gehoben. Die Zofe ließ die Waffe los und trat einen Schritt zurück.
Benat kippte zur Seite. Da lag er. Sein Körper überzog sich mit einer weißen Schicht. Eis, dachte Routh.
Die Sonde drehte ab. Die Aufzeichnung endete.
*
Am Tag darauf, am 1. Oktober 1469, bat Routh seine Tochter, mit ihm allein eine Wegschale zur Ikonischen Symphonie zu nehmen. Sie willigte zögernd ein.
Als sie fuhren, schloss Routh die transparente Kanzel. »Deine Zofe hat heute Nacht Benat ermordet«,
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