PR2632-Die Nacht des Regenriesen
VAHANA – war von fremden Schiffen verfolgt worden. Der Major bezeichnete diese Schiffe als Sternengaleonen, assoziierte sie aber andererseits mit Insekten.
Ich muss nicht alles verstehen, dachte Margaud.
Der Funkkontakt zur VAHANA war abgebrochen. Der Kommandant des Schiffes, Oberst Nuruzzaman, hatte sich mit einem Einsatzteam zum Hangar begeben, um in das Boot einzudringen. Die Lebenszeichen der Besatzungsmitglieder seien besorgniserregend schwach gewesen.
Sehr rasch wäre ihnen klar geworden, dass die Aufnahme der VAHANA ein Fehler gewesen war. Ein unvermeidlicher Fehler vielleicht, es sei denn, man hätte erwogen, zu fliehen, das Beiboot zurück- und den Sternengaleonen zum Abschuss zu überlassen.
Unmöglich.
Die VAHANA hatte sich als infiziert erwiesen.
»Infiziert womit?«, fragte Margaud.
Der Major nickte. »Schwarze Eier. Sie haben uns schwarze Eier ins Nest gelegt.«
Margaud, Luna und Miravete sahen einander stumm an.
»Achil«, sagte Miravete eindringlich und schüttelte den Major an den Schultern. »Was sind diese schwarzen Eier wirklich?«
»Sie sind alles und nichts!« Er kicherte. »Sie zerrinnen einem unter der Hand. Dann sind sie so klein, du kannst sie nicht fassen. Dann bauen sie sich zu etwas anderem zusammen. Sie vervielfältigen sich, sie entnehmen dem Schiff, den Menschen Substanz.«
Der Major erzählte, wie sie in der Zentrale zusehen mussten, was im Hangar geschah. Seine Art zu sprechen, seine traumwandlerischen Formulierungen zogen Margaud so in den Bann, dass sie die Geschehnisse zu sehen glaubte:
Wie schwarze Eier aus der VAHANA tropften, Hunderte und Hunderte, wie sie sanft auf dem Boden aufkamen und förmlich darin versickerten. Wie das Einsatzkommando einige Eier unter Feuer nahm, wie die TARAS etliche Treffer landeten und Hunderte dieser Eier zerstörten – aber bei Weitem nicht alle.
Sie sah, wie Eier zerplatzten, wie deren Fragmente sich auf den SERUNS anhefteten und auf der Außenhülle der TARAS.
Sie erlebte das Entsetzen der Mannschaft, als zunächst der Hyperfunk ausfiel, dann die Linearkonverter den Betrieb einstellten. Nuruzzaman, der in die Zentrale stürmte. Sein Befehl, die Hyperfunkanlagen der Beiboote einzuschalten. Sein müdes Abwinken, als die Schiffspositronik meldete, dass die Beiboote nicht mehr auf ihre Befehle reagierten.
Dass auch das Nottransitionstriebwerk ihrer Kontrolle entzogen sei.
Das Bild, wie der Oberst und die Mitglieder der Zentralebesatzung dasaßen und abwarten mussten, was geschah.
Wie die Medoroboter die Mannschaft aus der VAHANA bargen: äußerlich unversehrte, erschlaffte Gestalten.
Wie wenige Stunden später die große Müdigkeit über alle kam, auch über den Major selbst.
Und dann der Schlaf. »Fünf Tage sind wir geflogen«, überlegte der Major laut. »Warum so lang? Was ist in diesen fünf Tagen an Bord geschehen?«
Emilio Luna sagte: »Eine Nano-Waffe also. Ich vermute, das, was uns als Eier erscheint, sind autonome militärisch-industrielle Konglomerate, Fabriken und Armeen in einem. Diese Einheiten können sich zu atomaren, vielleicht sogar zu subatomaren Partikeln zerlegen, klein genug jedenfalls, um in Metallplast einzudringen. Die Partikel können isoliert voneinander operieren. Sie infiltrieren die Maschinen, wahrscheinlich sogar die Biopositronik. Sie entnehmen ihnen Bau- und Organisationspläne und schlagen dann strategisch effektiv zu.«
»Sie befallen die Menschen«, ergänzte Miravete. »Sie analysieren uns, erkennen unsere Schwachstellen, erzeugen das Melatonin und schicken uns in den tiefsten Schlaf, den Menschen je geschlafen haben.«
Müdigkeit als Waffe, dachte Margaud. Sie fröstelte. Sie hatte eines der Konglomerate berührt. Sie hatte den Stich gespürt. Sie musste davon ausgehen, dass sie infiziert war.
Sie fragte den Major: »Wie lange benötigt die Waffe, um das Hirn anzugreifen und den Schlafimpuls auszulösen?«
»Ah.« Der Major seufzte. »Wie lange. Ich weiß es nicht genau. Drei Stunden? Vier?« Er kicherte wieder. »Jedenfalls sind wir widerstandsfähiger als unsere Maschinen. Die hatten die Eier innerhalb weniger Minuten lahmgelegt.«
Margaud nickte. Das mochte sein. Eine Hyperfunkanlage war leicht zu orten: Schließlich arbeitete sie mit Hyperkristallen. Anschließend das Funktionsgefüge zu zerstören war eine Sache weniger Augenblicke. Immerhin hatte die Nano-Waffe an Bord der VAHANA genug Zeit gehabt, sich Zugang zu den positronischen Archiven und dort einen Überblick über die
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