PR2633-Der tellurische Krieg
herrschte Stille. Als wäre die Zeit angehalten worden.
Die Menschen erstarrten.
Dieser Zustand dauerte höchstens eine Sekunde lang an, dann brach das Chaos über einen weiten Bereich Mittelamerikas herein.
Ein Megathrust-Erdbeben, ein Ereignis wie seit Menschengedenken nicht mehr. Nicht allzu tief unter dem Zentrum der Weltmetropole Mexico City entstand der befürchtete starke gravomechanische Stoßimpuls. Die schockartige Freisetzung extrem hoher Energiemengen bewirkte eine Anhebung des Untergrunds um gut dreißig Meter. Ebenso schnell sackte der Boden wieder weg und brach auf.
Über Distanzen von Hunderten von Kilometern hinweg warfen sich Verschiebungen auf. Gewaltige Risse spalteten das Land. Bis zu dreihundert Meter breit öffnete sich quer durch das Land die Hölle, verschwanden Straßen und Brücken, als hätten sie niemals existiert.
Mitten in Mexico City brachen gewaltige Schlünde auf und verschlangen ganze Gebäudekomplexe.
Aus dem Weltraum war deutlich zu sehen, dass die schweren Erdbebenwellen sich kreisförmig von der Metropole ausbreiteten. Wie ein ins Wasser geworfener Stein mehrere konzentrische Wellen erzeugte, so hob sich das Land in atemberaubender Geschwindigkeit, der niemand entrinnen konnte. Sobald es sich wieder senkte, lag vieles von dem, was Menschenhand in Jahrtausenden geschaffen hatte, in Schutt und Asche.
Staub wirbelte auf und senkte sich erstickend über das Land, ein Leichentuch für immer neue Opfer der entfesselten Gewalten.
Die ohnehin schon angebrochene Nacht wurde zur vollkommenen Schwärze. Es gab keine Lichter mehr, die Mexiko in ein Juwel verwandelten. Nur die starken Scheinwerfer der ersten Suchfahrzeuge fraßen sich durch den dichten Brodem. Sie fanden Tod, Zerstörung und unermessliches Leid.
Dann kamen die Sekundärbeben als Folge der sich weiter ausbreitenden seismischen Wellenfronten.
Die ersten Nachbeben tobten mit unerträglich hohen Werten.
Im Schwemmlandbereich sowie in den Regionen mit künstlicher Aufschüttung schien der Boden flüssig zu werden. Gewaltige Flutwellen aus Dreck und Geröll begruben diesen ganzen Landstrich unter sich.
Rund siebzig Kilometer südöstlich von Mexico City stieg eine gewaltige Wolke aus Rauch und Asche bis in die Stratosphäre. Heftige Gewitter tobten dort, und dann, von einer Sekunde zur nächsten, färbte sich die Wolke blutig rot. Die Explosion, die den Krater des Popocatepetl aufriss, wirbelte zähflüssige Lava kilometerhoch auf. Der niedergehende Feuerregen setzte Wälder und Kulturland in Brand.
Allein in den ersten zwanzig Minuten dieses verheerenden Bebens starben wahrscheinlich Zehntausende Menschen. Im schlimmsten Fall ging die Zahl trotz der angelaufenen Evakuierung schon in die Hunderttausende.
*
Die Musik, aufwühlende Klänge eines virtuos angeschlagenen siebensaitigen Kitharons, verstummte im Akkord.
Für einige Sekunden herrschte Stille, dann erklang eine Stimme auf allen Frequenzen, mühsam beherrscht, den Tränen nahe.
»Wir schreiben den 6. Oktober 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, 10.23 Uhr Terrania Standard. Wie alle Sender des Solsystems unterbricht SIN-TC, das Solare Informations-Netzwerk Terrania City, alle Programme für diese Sondersendung.«
Pluto Papazios, der Anchorman des Senders, erschien auf allen Bildwänden und den winzigen Nachrichtenholos der MultiKom-Geräte. Ihm war anzusehen, wie sehr er um seine Beherrschung rang. Mit einer schnellen Handbewegung wischte er sich die Augenwinkel aus.
»Terra hält den Atem an. Vor wenigen Augenblicken hat sich in der Zona Mexico ein verheerendes Erdbeben ereignet. Das Hypozentrum mit einem starken gravomechanischen Stoßimpuls befand sich in geringer Tiefe unter der Millionenmetropole Mexico City. Das Monsterbeben hat nach ersten vorliegenden Analysen auf der Momenten-Magnituden-Skala einen Wert von 10,2 erreicht, entsprechend einer seismischen Energiefreisetzung von circa 1,26 mal zehn hoch zwanzig Joule oder anders ausgedrückt einer Explosion von dreißig Gigatonnen TNT.
Bislang sind erst wenige Details aus der Katastrophenregion bekannt. Die Rede ist zwar von weiträumig schweren Verwüstungen und Feuersbrünsten, moderne Gebäude sind jedoch löschaktiv und ersticken die Flammen. Inwieweit die bebensichere Bauweise der Region zum Schutz der Bevölkerung beigetragen hat, werden wir in den nächsten Stunden erfahren. Auch, wie viele Gebäude durch die physikalischen Nachwirkungen des Versetzungsschocks vorgeschädigt waren und
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