Prada Party und Prosecco - Roman
fiel es mir nicht einmal mehr auf, und wenn doch, ließ es in mir ein gewisses Gemeinschaftsgefühl aufkommen. Dort, wo ich herkam, hatte niemand seine Nachbarn angeschrien; dort kannte man sie einfach nicht, und sie waren ohnehin dauernd in Dubai.
Deshalb fiel mir zuerst gar nicht auf, dass jemand meinen Namen rief; ich überlegte gerade, ob im Bus wohl noch eine von diesen Gratiszeitungen herumlag und wie ich Wolverine dazu kriegen konnte, seine Nägel nicht länger am Sofa zu wetzen, und unbewusst dachte ich tief in meinem Inneren bestimmt auch ein wenig an Dad. Also klang die Stimme schon ziemlich angenervt, als ich schließlich » SOPHIE !« vernahm, stehen blieb und mich umdrehte.
»Oh. Mein. Gott«, ertönte eine Stimme. Der Wagen, ein silberner BMW , kam mit leichtem Schlingern auf einer doppelten roten Linie zum Stehen, was bei den folgenden Autos so einiges an Rufen und Hupen auslöste.
Davon völlig ungerührt stiegen Philly und Carena aus.
»Eure Hausangestellte hat uns davon erzählt!«, erklärte Philly. »Aber wir konnten es einfach nicht glauben. Old Kent Road!«
Ich wusste, ich hätte Esperanza diese Postkarte nicht schicken sollen.
»Ich meine, O MEIN GOTT .«
Ja, ja. Phillys Eltern stammten aus Surbiton; ganz so neu, wie sie tat, waren Schmutz und Elend für sie also nicht. Carena ging die Sache behutsamer an und schob langsam die riesige Chanel-Brille hoch, die auf ihrer winzigen Nasenspitze thronte. Sie trug unglaublich enge, tiefschwarze Jeans, die bei ihr irgendwie überhaupt nicht nuttig wirkten, und ein loses schwarzes Top mit Aufdruck von Chloe. Sie sah umwerfend aus. Mir wurde klar, dass ich immer noch meine alte Jogginghose von Juicy anhatte. Na ja, auch nur, weil ich auf dem Weg zur Arbeit war … okay, eigentlich lag es eher daran, dass ich von meinen alten Jeans keine mehr zubekam und das Wetter nicht gut genug war, um ein Kleid anzuziehen. Und außerdem hatte ich mir schon seit Wochen nicht mehr die Beine wachsen lassen. Ich denke, ich hätte sie mir vermutlich rasieren können, aber davor hatte ich ein bisschen Schiss, und die Rasierer in den Ramschläden sahen tödlich aus.
Und außerdem, wen juckte es schon. Für Cal hätte ich mich schön gemacht, aber dessen Kopf steckte ja immer gerade in irgendeinem Ausschnitt. Und falls ich mir nichts einbildete, war Eck durchaus geneigt, mir dann und wann mal einen sehnsuchtsvollen Blick zuzuwerfen, aber bei ihm blieben immer noch einige bleichebedingte Restängste. Und im Studio war ich, umgeben von so viel spärlich bedeckter Weiblichkeit, nur allzu froh, dass ich meine Jogginghose die ganze Zeit anbehalten durfte und dass sie die Form meines Hinterns völlig verhüllte. So fühlte ich mich sicherer. Das alles schoss mir durch den Kopf, während mein Herz mit hundert Stundenkilometern raste.
Ein riesiger Abschleppwagen erschien hinter dem BMW und fing an, heftig zu hupen. Carena drehte sich um und schenkte ihm einen finsteren Blick, der LKW -Fahrer zeigte sich aber völlig unbeeindruckt und brüllte: »Ihr Scheißfotzen, jetzt schiebt eure Scheißhintern mal aus meiner Scheißspur!«
Philly sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, als sei das alles ein Riesenspaß.
Carena blieb vor mir stehen und senkte die Lider über ihren großen Rehaugen. Ich starrte sie an. Ich wollte so viel sagen, sie so viel fragen … aber bevor ich auch nur anfangen konnte, legte sie bereits los.
»Sophie«, verkündete sie, »mein Therapeut hat mir klargemacht, dass ich dir gegenüber eine offene und umfassende Entschuldigung ablegen muss. Und dass es deinem Glück nur im Weg stehen kann, wenn du sie nicht annimmst.«
Ich war so verblüfft, dass ich gar nicht klar denken konnte. Was sollte ich denn dazu sagen? Hm, danke, du dämlicher fremder Therapeut, dem ich noch nie begegnet bin?
Ich dachte an all die Unterhaltungen, die ich in Gedanken mit Carena geführt hatte und in denen sie vor Gram gebeugt war, weil sie mit ihrer Selbstsucht ihr Leben und das ihrer Freundin zerstört hatte. Ich wollte, dass sie mit Schrecken dem Grauen dessen, was sie getan hatte, ins Gesicht sah und sich furchtbar elend fühlte. Ich wollte nicht, dass sie sich hier präsentierte, als würde sie nur Besorgungen für ihren Therapeuten machen.
Und außerdem hatte in meiner Vorstellung immer ich fantastisch ausgesehen, während Carena pummelig wirkte und eine Jogginghose trug.
Seltsamerweise hatte Carena mich viel mehr verletzt, als Rufus es je gekonnt hätte. Immerhin
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