Prada Party und Prosecco - Roman
Mädchen groß sind. Warum, Sophie? War dir das hier etwa nicht gut genug?«
Ich fühlte mich furchtbar. Die Wahrheit war, dass ich Leonard auf meine oberflächliche, übel verwöhnte Art eigentlich immer eher als einen Angestellten betrachtet hatte, beinahe auf derselben Stufe wie Esperanza. Carena und ich hatten nie mit seinen behäbigen Töchtern gespielt, die sich nicht die Augenbrauen zupften. Es wäre mir einfach nie in den Sinn gekommen.
Seine Töchter waren jetzt Anwältinnen wie ihr Vater. Sie verdienten sicher jede Menge Kohle, waren verheiratet und hatten Babys. Sie hatten mir Einladungen zu ihren Hochzeiten geschickt, aber ich hatte mir nicht einmal die Mühe gemacht, darauf zu antworten. Und jetzt bot Leonard mir an, mich bei ihnen aufzunehmen. Das hatte ich wirklich nicht verdient. Ich ließ den Kopf sinken.
»Danke, aber ich komme schon klar, Leonard, wirklich.«
»So siehst du aber nicht aus«, widersprach er. »Hast du da eine Hautkrankheit?«
Nein, das war nur ein Ausschlag am Kinn. Hoffte ich zumindest. Nach der letzten Nacht konnte es bis hin zur Krätze so ziemlich alles sein.
»Das ist nichts«, winkte ich ab. Er sah nicht sonderlich überzeugt aus.
»Also«, bat ich, »erzähl mir alles. Bitte. Selbst wenn es nur Gerüchte sind.«
Leonard sah noch immer ein wenig gequält drein.
»Verstehe. Du bist an die Schweigepflicht dem Mandanten gegenüber gebunden, oder nicht?« Ich seufzte.
Leonard schnaubte. »Ich wünschte wirklich, die Leute würden aufhören, amerikanische Fernsehserien zu schauen. Ich habe keine Mandanten, ich habe Klienten. Und nein, nach ihrem Tod bin ich an keine Schweigepflicht mehr gebunden.«
»Oh. Okay.« Ich beschloss, jetzt lieber den Mund zu halten.
»Ich muss dir etwas erklären«, meinte Leonard. »Die Geschäfte deines Vaters … Ich meine, niemand hatte erwartet, dass er so jung stirbt.«
Ein übergewichtiger Workaholic Mitte fünfzig, der zu viel trinkt und raucht. Zum millionsten Mal fühlte ich dieses üble Ziehen in der Magengrube. Warum hatte ich nichts unternommen? Warum hatte ich nicht auf ihn aufgepasst? Mum war doch nicht mehr da gewesen, um das zu übernehmen. Es war meine Aufgabe gewesen.
»Hm-hm«, machte ich, verhakte krampfhaft die Finger und versuchte, die Tränen runterzuschlucken.
»Na, na«, sagte June, die gerade mit Earl-Grey-Tee und Sandwiches hereinkam. »Das ist sicher alles noch so frisch.«
Ihr Mitgefühl machte die Sache natürlich nur noch schlimmer – schon seit langem war niemand mehr so nett zu mir gewesen –, und ich merkte, dass ich anfing zu schniefen. Ich durfte nicht schon wieder weinen, bloß nicht.
Es fiel Leonard sichtlich schwer, mit dem herauszurücken, was er zu sagen hatte.
»Sophie, Liebes, dein Vater war an einigen höchst riskanten Investitionen beteiligt … er hat jede Menge Schulden von einer Firma zur nächsten verschoben.«
Ich verstand zwar nicht so ganz, was er da sagte, aber gut klang das nicht.
»Du weißt, dass das sein Privatvermögen war … er hatte es aus dem Nichts aufgebaut. Während der Bankenkrise hat sich seine Situation ziemlich rasch geändert, und zu dem Zeitpunkt, als er starb, war da so einiges im Wandel …«
»Du willst also sagen …« Ich würgte die Worte hervor. Das musste jetzt eindeutig geklärt werden. »Dass vielleicht überhaupt kein Geld mehr übrig ist?«
»Mehr als nur vielleicht«, gab Leonard zu. Seine Wangen glühten. »Ich denke, es ist äußerst wahrscheinlich, Sophie. Die Schulden haben sich immer mehr aufgetürmt, und ich glaube nicht … ich meine, noch ein paar Jahre, und er hätte wieder schwarze Zahlen geschrieben, ganz sicher, wenn er es nur richtig angestellt hätte … Sophie, es tut mir so unendlich leid.«
Ich kämpfte mit den Tränen. »Aber er hatte doch sicher für mich vorgesorgt, oder? Er hat doch immer für mich gesorgt.«
Leonard nahm wieder die Brille ab, um sie am Ärmel zu polieren. »Natürlich hat er das, Sophie. Allerdings …«, er verstummte.
»Aber mein Geld … mein Geld … das ist doch gewiss irgendwie abgesichert? Bestimmt , oder?«
Ich konnte nicht fassen, was er da sagte oder was es womöglich bedeutete.
Leonard schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, Sophie … Bankangestellte sind ziemlich auf Zack, wenn es darum geht, Gelder aufzuspüren. Alles, was da ist … geht wohl für die Schulden drauf. Die sind da ziemlich streng. Außer er hätte es dir schon vor Jahren überschrieben.«
Beinah sprachlos schüttelte ich
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