Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prada Party und Prosecco - Roman

Prada Party und Prosecco - Roman

Titel: Prada Party und Prosecco - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Colgan
Vom Netzwerk:
ich nicht denken. Ich stellte mir den Besuch bei ihm vor. Ich würde zu ihm gehen und ihm all meine Ängste und Sorgen vortragen, und er würde mich beruhigen und erklären: »Also, Sophie, gar nichts ist los. Deine Stiefmutter hat sich ein schönes Penthouse in Malibu gekauft und beschlossen, das Stadthaus so lange leerstehen zu lassen, bis du wieder einziehst. Es sollte eine Überraschung werden. Wir haben nämlich einen Fehler gemacht: Im Testament stand nichts von sechs Monaten, dein Vater meinte sechs Wochen. Es tut uns so leid. Komm bitte wieder zurück.«
    Und ich würde stammeln: »Wow! Ist schon in Ordnung, so was passiert eben manchmal. Könntest du mir vielleicht helfen, für das Haus einen anständigen Innenarchitekten aufzutreiben?«, und er würde sagen: »Ja, natürlich, denn genau das hätte dein Vater gewollt. Er wäre so stolz auf dich.«
    »Iiiih, guck mal, die Schlampe hat einen Ausschlag am Kinn«, ertönte hinter mir eine Teenager-Stimme. »Fieses Kinn!«
    Und dann werde ich nie, nie wieder den Bus nehmen.
    Die St. John’s Street, in der Leonard wohnt, ist eine elegante Straße. Das Häuschen, ein brauner Backsteinbau, wirkte so schmal und windschief, als wollte es für eine Dickens-Verfilmung vorsprechen. Ich klopfte laut an die Tür und hoffte, dass sie zu Hause waren.
    Erst einmal passierte eine Ewigkeit lang gar nichts, und ich überlegte schon, was ich stattdessen machen sollte, als sich die Tür endlich mit einem Quietschen öffnete. Es war Leonard. Offensichtlich hatte er gerade ein Nickerchen gemacht. Statt des üblichen makellosen Dreiteilers mit Taschenuhr trug er unter dem Morgenmantel eine Hose und ein altes T -Shirt. Am Hinterkopf standen seine Haare ab wie feiner Flaum. Sonst glättete er sie immer sorgfältig mit einer eher zu reichlichen Portion Haarwachs. Er versuchte umständlich, sich die Brille aufzusetzen und mich gleichzeitig im Auge zu behalten.
    »Hallo?«, sagte ich.
    »Wer sind Sie?«, gab Leonard zurück. Das war nicht seine sonst so gütige Stimme. »Zur Westminster Abbey geht’s da lang.«
    »Leonard … Leonard, ich bin’s.«
    Er blinzelte, und dann gelang es ihm endlich, sich die Brille auf die Nase zu schieben.
    »Sophie?« , fragte er und klang entsetzt. Mein Kater musste wohl doch schlimmer sein, als ich gedacht hatte. Und natürlich die Sache mit dem Haaransatz. »Was, zum Teufel, ist denn mit dir passiert? Haben sie dich entführt? Ich habe ja seit Monaten nichts mehr von dir gehört.«
    »Hm, nein«, murmelte ich. »Äh, Leonard, ich habe da ein paar Fragen. Zu Daddys Testament … Was ist eigentlich los?«
    Leonards Miene wurde plötzlich ernst. Das war kein gutes Zeichen. Er sollte in diesem Moment nicht besorgt dreinblicken. Er sollte strahlen und fröhlich verkünden: »Na, und ob dich das interessieren sollte« und sich eine dicke, fette Zigarre anstecken. Oder so was in der Art.
    »Du kommst wohl besser mit rein.« Er seufzte.
    June, Leonards Frau, kochte uns Tee, und ich setzte mich in einen dieser unangenehm rutschigen Ledersessel mit Knöpfen in ihrer eleganten Bibliothek.
    »Also, Sophie«, begann er nervös. Er war kurz nach oben verschwunden, um ein kariertes Hemd und einen grünen Kaschmirpullover überzustreifen, aber ohne die Taschenuhr sah er immer noch nicht aus wie er selbst.
    »Zunächst einmal weißt du ja, dass jetzt Mr Fortescue für deine Stiefmutter arbeitet. Sie hat sich wohl gedacht, dass sie besser mit jemandem fährt, der ein wenig … dynamischer ist.«
    »Hm-hm«, machte ich. »Aber du musst doch wissen, was da los ist … Ich habe Gerüchte gehört, dass Gail gar nicht mehr in unserem Haus wohnt, und es geht auch niemand ans Telefon.«
    Leonard sah besorgt drein. »Dieses Gerücht ist mir auch zu Ohren gekommen. Aber an deiner Stelle würde ich nicht alles glauben, was so erzählt wird … ich meine, ich habe zum Beispiel gehört, du wärst bei Hausbesetzern in der Old Kent Road untergeschlüpft.«
    Dazu sagte ich nichts.
    Leonard blinzelte. »Das stimmt doch nicht etwa, oder?«
    Ich zuckte mit den Schultern, so als ob es tatsächlich auf verdrehte Art und Weise interessant und malerisch wäre, in der Old Kent Road in einer Bruchbude zu hausen.
    Leonard nahm die Brille ab und putzte sie am Ärmel. Dann seufzte er schwer.
    »Warum bist du denn nicht zu uns gekommen? Ich kenne dich seit deiner Kindheit. Wir hätten dich gerne bei uns aufgenommen. June findet es so schade, dass keine jungen Leute mehr im Haus leben, seit die

Weitere Kostenlose Bücher