Prada Party und Prosecco - Roman
ich ja wirklich ein ganz normaler Mensch, nur dass ich irgendwie von oben auf sie herabzusehen schien. Was eigentlich gar nicht stimmte. Na ja, auf Wolverine vielleicht doch ein bisschen.
»Ich sollte jetzt besser zur Arbeit gehen«, murmelte ich. Niemand sagte ein Wort. Sie sahen mich an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Und dann, als ich bereits an der Tür war, rief Eck mir hinterher: »Also, als du die Toilette sauber gemacht hast … war das dann wohl das allererste Mal, dass du ein Klo geputzt hast, oder?«
Ich starrte ihn an. »Ja«, sagte ich ihm direkt ins Gesicht, »das war es.«
»Na, das ist doch schon mal was«, bemerkte Cal aufmunternd. »Wir dachten nämlich alle, du wärst einfach nur völlig meschugge.«
Ich wusste innerhalb von zehn Sekunden, dass Julius die Zeitung bereits gesehen hatte. Dann hörte ich die Zwillinge quietschen, und mir wurde klar, dass sie den Artikel auch gelesen hatten.
»Und das bist du?«, staunte Grace. Sie trug limonengrüne Federn.
»Was hast du da bloß an?«
»Das ist Burlesque. Wie bei Dita Von Teese?«
Ich hätte ihr nie verraten, dass sie so gar nicht aussah wie Dita Von Teese.
»Also bist du reich und so?«, bohrte Grace weiter. »Das hätte ich ja nie gedacht.«
»Aber auch nur, weil du nie zuhörst«, warf Kelly ein. »Delilah hat uns doch von ihren ganzen Klamotten erzählt, weißt du nicht mehr? Du bist echt ein Idiot.«
»Oh, jetzt sei nicht so kindisch.«
»Nur weil ich jünger bin als du.«
»Hm, ja, also, ist ja auch egal«, entgegnete ich. Ich trug wieder meine Jogginghose. Nachdem ich mich am Samstagabend so aufgestylt hatte, kam es mir vor, als hätte ich nichts anderes verdient. Der Samstag schien schon Ewigkeiten zurückzuliegen, auch wenn ich jetzt noch gähnen musste.
Julius sah mich lange an. »Du hast ihnen nicht etwa von mir erzählt, oder?«
»Du hast den Artikel doch gelesen. Kommst du vielleicht darin vor?«
»Nein. Na ja, da stand nur, dass du früher immer in den Top-Fotostudios rumgehangen hast.«
» O Julius«, sagte ich traurig und fragte mich, ob er mich wohl feuern würde, »lass uns doch einfach so tun, als wäre es immer noch so.«
Julius sah mich lange an. Dann reichte er mir eine Kamera. »Dann mal los.«
»Was meinst du damit?«
»Na ja, wenn du dir deine Brötchen jetzt selbst verdienen musst, dann solltest du besser so früh wie möglich damit anfangen. Warum übernimmst du nicht das erste Set mit den Zwillingen? Ich mache auch ein paar Bilder, und dann wollen wir mal sehen, wie es so läuft.«
Er fing an zu knipsen. Kelly zog die Federboa zwischen den Beinen durch wie ein Handtuch. Aufgeregt begann auch ich, Bilder zu schießen.
»Wie bei Dita Von Teese, nicht?«, rief Kelly.
»Ja, so in der Art«, erklärte ich. »Beug dich ein bisschen vor … und lächeln! Etwas frecher. Genau so! Jetzt hast du’s!«
Und ich drückte auf den Auslöser.
Als ich mittags zum Schnellimbiss ging, lag die oft durchblätterte Zeitung offen auf einem der Tische, sie legten mir eine Extrascheibe Schinken aufs Brötchen, und der nette Kellner meinte: »Tut mir so leid, dass du alles verloren hast.«
»Danke«, sagte ich, und ich war wirklich dankbar für ein bisschen gut gemeintes Mitgefühl.
»In meinem Land war ich Ingenieur und Dozent an der Uni. Ich hatte ein großes Haus und hab in Wohlstand gelebt. Dann haben sie alle Universitäten geschlossen. Und jetzt stehe ich hier fünfzehn Stunden am Tag am Herd und brate fettige Würstchen. Viele Leute haben es nicht leicht im Leben.«
Und zum ersten Mal sah ich diesem Mann, der mir jeden Tag das Essen servierte, bewusst ins Gesicht.
»Danke«, wiederholte ich und streckte die Hand aus, die er ergriff und heftig schüttelte. »Vielen herzlichen Dank. Jetzt fühle ich mich wirklich besser.«
Kapitel zwölf
I ch schwebte quasi durch den Rest des Tages. Das Shooting lief gut, und Julius meinte, einige meiner Aufnahmen würden sicher vom Zoo genommen, kein Thema.
Dieses winzige Fitzelchen Optimismus verpuffte allerdings schnell, als ich später das Studio aufräumte. Da war ich also wieder, wischte den Fußboden und sammelte winzige, paillettenbesetzte Fummel auf. Und heute war alles anders. Mit dem Putzen war es jetzt ernst. Für immer. Das war kein Nachmittag im Vergnügungspark. Es ging nicht darum, sich mal ein wenig in der Gosse herumzutreiben. Endstation.
Fürs Wischen brauchte ich länger als sonst. Zum einen wegen der vielen Federn, zum anderen, weil ich vor meinem
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