Prag
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Nobelpreisträger und Persona non grata – Jaroslav Seifert
Žizkovs berühmtester Sohn und, für den Stadtteil typisch, Sprössling
einer Arbeiterfamilie heißt Jaroslav Seifert (1901–1986). 1920 gründete er
mit befreundeten Schriftstellern den provokanten Künstlerbund „Devětsil“
(dt. „Pestwurz“), eine surrealistische Avantgardegruppierung, die eine
„neue proletarische Kunst“ schaffen wollte. Kurz darauf trat er der
Kommunistischen Partei bei. Den Genossen war er jedoch zu bürgerlich-liberal,
nach ein paar Jahren warfen sie ihn hinaus. Während des Zweiten Weltkriegs
stieg Seifert zum populärsten Lyriker des Landes auf. Als seine einstige
Partei nach dem Krieg die Macht übernahm, durfte er nur noch unter Auflagen
publizieren. Seifert aber ließ sich nicht einschüchtern und prangerte auf dem
2. Prager Schriftstellerkongress 1956 die Verbrechen Stalins an. Im Ausland
erhielt er in den folgenden Jahren unzählige Literaturpreise, und als sich die
politische Situation während des Prager Frühlings vorübergehend lockerte,
auch im Inland. In den 70er-Jahren, als jegliche Liberalität wieder verflogen
war, verhängte man über Seifert ein Publikationsverbot, er wurde zur Persona
non grata. Doch der Literat verstummte nicht und schloss sich einige Jahre
später der Bürgerrechtsbewegung „Charta 77“ an. Zwei Jahre vor seinem Tod
erhielt er als erster und bislang einziger tschechischer Schriftsteller den
Literaturnobelpreis. Zu seinen bekanntesten und vielfach übersetzten Werken
gehören Morový sloup ( Die Pestsäule , 1977) und Deštník z
Piccadilly ( Der Regenschirm vom Piccadilly , 1979).
Armádní muzeum ( Armeemuseum) : Das
Museum, untergebracht in einem tristen Kasten am Fuß des Vítkovs, diente
einst der Glorifizierung des tschechoslowakischen Militärs und der gesamten
Streitkräfte des Warschauer Paktes. Heute beschränkt man sich mehr oder
weniger auf die Militärgeschichte des Landes vom Ersten Weltkrieg bis 1945. Zu
sehen gibt es in erster Linie Uniformen, Waffen und Orden aus den Weltkriegen
sowie einen Panzer. Zudem wird die Geschichte der deutschen Besetzung
beleuchtet und an den tschechischen Widerstand und die Befreiung des Landes
durch Russen und Amerikaner erinnert.
Adresse U
Památníku 2. Anfahrt → Vítkov. Tägl. (außer Mo) 9.30–18 Uhr. Eintritt
frei.
Nové
Židovské Hřbitovy ( Neuer Jüdischer
Friedhof) : Er ist ein bizarr-idyllischer Ort und nicht weniger
besuchenswert als der Alte Jüdische Friedhof in Josefov, zumal hier kein
Gedränge herrscht. Das Gros der Grabsteine stammt aus dem 19. Jh. und der
ersten Hälfte des 20. Jh. Das bekannteste Grab ist dasFranz Kafkas, der 1924 im
Alter von knapp 41 Jahren an Tuberkulose starb. Er liegt zusammen mit seinen
Eltern an der Südmauer bestattet. An seine drei Schwestern, die in den
Vernichtungslagern der Nationalsozialisten umkamen, erinnert eine Steintafel.
Kafkas Fangemeinde legt hier Briefe, Blumen und Steinchen nieder.
Adresse Izraelská 1. M A Želivského. Das Kafkagrab ist ab dem
Eingang ausgeschildert. April–Sept. So–Do 9–17 Uhr, im Winter bis 16
Uhr, Fr 9–14 Uhr.
Der riesige und ebenfalls überaus interessante Friedhof
Olšany ( Olšanské hřbitovy) nebenan wurde ursprünglich für die Toten der Pestepidemie des Jahres 1680
angelegt. Groteskerweise teilen sich hier heute der Protestler Jan Palach (
Sektion 9/2) und Klement Gottwald, der „tschechische Stalin“ (Sektion
5/20), dieselbe Erde.
Adresse Vinohradská 294/212. S 5, 10, 11, 16 Olšanské hřbitovy.
Mai–Sept. tägl. 8–19 Uhr, Okt., März u. April bis 18 Uhr, Nov.–Feb.
bis 17 Uhr.
Auf dem Neuen Jüdischen Friedhof
Televizní Vysílač Praha ( Fernsehturm) : Nach
siebenjähriger Arbeitszeit wurde 1992 das letzte sozialistische Bauwerk Prags
vollendet. Mehr als 100 m ragt es in den Himmel. Daneben liegen noch die
kümmerlichen Überreste eines jüdischen Friedhofs aus dem 19. Jh., der dem
Giganten weichen musste. Ursprünglich sollte der Turm v. a. die Frequenzen
westlicher Sender stören. Heute dient er der Übertragung von Radio- und
Fernsehprogrammen. Der Panoramablick von der Aussichtsplattform wäre schöner,
würden öfters mal die Fenster geputzt werden. Auf 70 m Höhe befindet sich
ein Restaurant mit satten Preisen. Die Metallbabys, die den Turm
hinaufklettern, sind ein Projekt des Prager Popkünstlers David Černý. Den
Juroren des US-Online-Reisemagazins www.virtualtourist.com
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