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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wenn ich auf den Postboten wartete,
kletterte mein Adrenalinspiegel in schwindelnde Höhen. Ich war mürrisch und reizbar, wenn er nichts für mich dabeihatte – oder noch schlimmer, wenn nur eine Pressemitteilung eintrudelte, aber keine Proben. So viel zum Thema Salz in die Wunden reiben. Aber selbst wenn der Postbote schon da gewesen war, durchfuhr mich ein Schauer der Erregung, wenn es klingelte, denn manche Firmen verschickten ihre Päckchen per Kurier. Ganz gleich, wer vor der Tür stand – Arbeitssuchende, die unsere Regenrinne säubern wollten, mein Vater, der auf die Rückkehr seines Trolleys wartete –, all meine Sinne meldeten Alarmstufe eins, während ich mich für den Empfang eines weiteren Päckchens bereitmachte und dafür, ihm ein hübsches Heim zu geben.
    Alles in allem war diese Beauty-Kolumne das Tollste, was mir je passiert ist. Als Kind lebte ich in der kläglichen Hoffnung, mein Vater würde seinen Job als Zahlenschieber im öffentlichen Dienst aufgeben und stattdessen einen Süßwarenladen eröffnen, sodass ich rund um die Uhr freien Zugang zu den ganzen Leckereien gehabt hätte. Jetzt lebte ich in der Erwachsenenversion dieses Traums.
    Mein Herzallerliebster beobachtete die ganze Geschichte etwas nervös vom Rand des Spielfelds aus. »Wenn du sagst, das ist das Tollste, was dir je passiert ist, dann meinst du doch wohl nicht, dass es toller ist als die Veröffentlichung deines ersten Buches?«
    »Doch!«
    »Toller als vom Alkohol loszukommen?«
    »Ja!«
    »Toller als … toller als mich kennen zu lernen?«
    »Ja! Tut mir Leid.«
    Er warf mir vor, ich sei wunderlich geworden, ich würde mich benehmen »wie eine Frau«. »Seit neuestem brauchst du immer eine halbe Ewigkeit im Bad«, sagte er. »Früher warst du genauso
schnell wie ein Mann.« Und es stimmte, er hatte irgendwie Recht. Ich besaß jetzt so viel Zeug, das ich mir ins Gesicht schmieren konnte, dass es wesentlich länger dauerte, mich herzurichten. In alten Zeiten benutzte ich nichts weiter als getönte Feuchtigkeitscreme, aber jetzt besaß ich Augencreme, Tagescreme, Abdeckcreme, Make-up Primer, Concealer (in Gelb und Grün), Make-up, Rouge und Glanzpuder. »Du siehst aus wie ein Karamell-Apfel«, sagte mein Herzallerliebster.
    Ein paar Tage später kam es zur Krise. Fast eine Woche war vergangen, ohne dass ich eine einzige Warenprobe erhalten hatte. Da ich schon mehreren PR-Frauen auf die Nerven gefallen war, wusste ich, dass etwas fällig war, hatte aber Angst, es könnte geklaut worden sein. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, erst kürzlich war eine Sendung von Laura Merciers feinsten Produkten verschwunden.
    Ich befand mich in meinem Schlafzimmer und grübelte gerade nach einem anderen Wort für »Wimper«, als es vor der Haustür einen Tumult gab. Kurz darauf marschierte mein Herzallerliebster ins Zimmer, mit einer blauen Plastikkiste voller wattierter Umschläge. Jede Menge. Von allen möglichen verschiedenen Firmen! Endlich war mein Schiff im Hafen eingelaufen! Voller Freude streckte ich die Arme aus und rief: »Her damit!« Aber mein Herzallerliebster ließ die blaue Milchflaschenkiste klappernd zu Boden sinken. »Das war nicht der normale Postbote. Sie mussten das Zeug in einem Spezialvan anliefern. Die Sache läuft TOTAL AUS DEM RUDER!«, brüllte er.
    Damit stampfte er aus meinem Zimmer. Aber wenig später änderte sich seine Stimmung, nämlich als sich herausstellte, dass einer der Umschläge mit »Clinique für Men«-Proben gefüllt war. Acht verschiedene Produkte, die er unverzüglich ins Badezimmer transportierte, um sie dort auszuprobieren. Dann wandte er mir sein (gepeeltes, hydratisiertes, grundgereinigtes) Gesicht zu, das
aus sämtlichen Poren um Verzeihung flehte, und sagte: »Ich glaube, allmählich fange ich an zu verstehen, wie du dich fühlst.«
    Gelegentlich musste ich mich schick machen, um mich zur Markteinführung eines neuen Produkts mit meinen Kolleginnen zu treffen. Aber schon bald wurde mir klar, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wie ich mich benehmen sollte: Ich war einfach nur aufgeregt und begeistert, in einem hübschen Hotel zu sein, einen leckeren Lunch zu kriegen und das alles in dem sicheren Bewusstsein, nach der Veranstaltung mit jeder Menge kostenloser Gesichtspflegeprodukte von dannen ziehen zu können. Aber die anderen Frauen führten sich auf wie Politjournalistinnen beim Interview mit Donald Rumsfeld. Kerzengerade saßen sie da, Stift und Notizblock gezückt, und stellten

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